Foto: Wailan Wang, Hans Gröning und Opernchor des Theater Osnabrück
© Stephan Glagla
Text:Michael Kaminski, am 11. Juni 2023
Die Oper „Wallenstein“ von Jaromir Weinberger gibt einige Rätsel auf. Bei Regisseur Ulrich Mokrusch sind alle Weichen auf Scheitern gestellt und auch musikalisch überzeugt die Osnabrücker Inszenierung.
Das Werk bleibt ein Rätsel. Mag sein, nicht die schlechteste Eigenschaft für ein bedeutendes Kunstwerk. Denn das ist des böhmischen Tonsetzers Jaromir Weinberger Oper „Wallenstein“ gewiss. Außer Senis Sterndeuterei legt freilich der Oberflächenbefund Mysteriöses kaum nahe. Milos Kares destillierte aus der Schillerschen Trilogie sechs dramatisch kräftig zupackendeSzenen, in denen sich Chortableaus und Kammerspiel effektsicher abwechseln. Die Osnabrücker geben Max Brods sprachgewaltige Übertragung aus dem Tschechischen ins Deutsche. Weinbergers Partitur reicht von Volks- und Soldatengesängen, veritabler Kapuzinerpredigt, Liedhaftem für Thekla und Maxens tenoraler Schwelgerei bis hin zu einem der Titelfigur vorbehaltenen Deklamationsstil, der auch einmal zur großen Szene aufwachsen darf.
Vokal kommen die der Diktion von Songs der dreißiger Jahre abgelauschten Marschlieder ebenso wie die musikalische Faktur des Generalissimus – mit ihrer frappanten Nähe zum Idiom für Hindemiths um ein Jahr jüngeren „Mathis der Maler“ – entschieden avancierter daher als die glutvollen Valeurs der Schreker-Nachfolge im Orchester. Rätsel gibt die Absicht des 1937 an der Wiener Staatsoper aufgeführten Werks auf. Denn ausgerechnet dem austrofaschistischen Kanzler Kurt Schuschnigg ist es gewidmet. Ob Weinbergers Dedikation auf politische Mäßigung des österreichischen Regierungschefs zielte oder welche Intentionen ihn sonst leiteten, ist unerfindlich. Dem nach nur vier Vorstellungen abgesetzten und von der Presse beinahe unbeachteten Werk half sie jedenfalls nicht. Seiner deutschen Erstaufführung nahm sich im Schillerjahr 2009 das Theater Gera an, die Osnabrücker stellen es nun zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens zur Diskussion.
Krieg und Frieden als machtpolitische Instrumente
Doch bedeutet Frieden dem Generalissimus keinen Wert an sich. Nicht anders als im Krieg sieht er in ihm lediglich die Machtoption. Regisseur Ulrich Mokrusch lässt sich daher auf die eirenischen Bekundungen der Titelfigur nicht ein. Längst verfing sich bei Mokrusch der vermeintliche Spielmacher in den selbst ausgeworfenen Netzen. Wallenstein hat sämtliches Vertrauenskapital verspielt, selbst die bündniswilligen Schweden zweifeln zutiefst an seiner Aufrichtigkeit. Von des Stückes Anbeginn sind die Weichen auf Scheitern gestellt. Mokrusch zeigt einen Feldherrn, der dennoch keinen einzigen Gedanken an die beinahe unausweichliche Niederlage verschwendet. Immerfort behält er die erstrebte böhmische Krone im Auge. Okarina Peter und Timo Dentler wuchten das Segment eines metallisch-düster dräuenden Zylinders auf die Bühne. Ein enormer Rundspiegel über der Spielfläche verwandelt irdischen Kerzenschein in Sterne am Firmament. Unter die Soldateska des Dreißigjährigen Krieges mischen Peter und Dentler einige modisch eher im 19. Jahrhundert situierte Angehörige der Eliten.
Höchst engagierte Ensembleleistung
Auch musikalisch machen sich die Osnabrücker überzeugend für das Werk stark. Sierd Quarré motiviert den Chor des Hauses zu vokaler Durchschlagskraft und Präzision. Im Graben schürt Andreas Hotz mit dem Osnabrücker Symphonieorchester Feuergluten. Hans Gröning bietet für die Titelpartie seinen monumentalen und bestens fokussierten Bariton auf. Rollenadäquat verfügt Susann Vent-Wunderlich über eine bei ihr sonst gänzlich ungewohnte Eiseskälte. Jelena Bankovics Thekla lässt Härten vernehmen. Voll tenoraler Strahlkraft und heldischer Emphase verkörpert James Edgar Knight den Max Piccolomini. Als Kapuziner verfügt Erik Rousi über viel Attacke, sein Butler hingegen bietet ein packendes Porträt innerer Zerrissenhaeit. Auch die vielen weiteren Partien sind höchst angemesen besetzt.