Im knappen Ende dann zeigt Robert Koalls entschiedene und ziemlich mutige Textfassung (basierend auf Peter Steins ausgewogener Übersetzung) die erschreckende Nähe aus dem Chor der Trauernden (im zweiten Teil der „Orestie“) und dem der Rachegöttinen (aus dem dritten Teil der Trilogie) mit Wutbürgern, die schnell zu ausgrenzendem Pöbel werden. Doch die schon zuvor außergewöhnlich milde Mordsschwester Elektra (Lieke Hoppe) übernimmt die Rolle, die im Originaltext die Göttin Athene erfüllt. Sie ruft zum Volksentscheid über die Schuld des gerechten Muttermörders auf und integriert die unterlegenen Hassfreunde schließlich zum demokratischen Mitherrscher um. Die tote Schwarzseherin Kassandra schließlich darf milde und zuversichtlich in die Zukunft blicken. Wir alle können, wenn wir denn endlich aus dem Leiden lernen, an einer friedlichen Weltgemeinschaft mitwirken, so prophezeit sie. Das mag etwas naiv sein, ist aber in seiner Konsequenz sehr erfrischend. Die Düsseldorfer „Orestie“ wird zur Utopie. Für die neue Spielzeit ist das ein Versprechen auf ein Theater, das auch aus einem 2500 Jahre alten Stück mehr als feines Kunstgewerbe schaffen kann, nämlich anregendes, ja aufrüttelndes, sehr ernsthaftes Spiel.