Foto: Irma Mihelic als Sulamith, Tochter des Hohenpriesters.
© Rainer Muranyi
Text:Alexander Dick, am 20. April 2015
„Die Königin von Saba“? – Selbst der angestaubte Hollywood-Schinken von 1959 mit Gina Lollobrigida ist heute wohl präsenter im öffentlichen Gedächtnis als Karl Goldmarks 1875 in Wien uraufgeführte Oper. Obwohl die bis zur Nazi-Barbarei in den Spielplänen relativ weit oben rangierte. Verdienstvoll, dass sich das Theater Freiburg jetzt an die Ausgrabung gewagt hat. Die indes schon erahnen lässt, was das zwischen Wagner, Meyerbeer und der Grand Opéra schwelgende Werk mit der Moderne nach 1945 so inkompatibel machte. Bei aller Opulenz und allem Farbenreichtum der Musik spürt man, dass ihr eines fehlt: die Logik musikalischer Entwicklung, die große, übergreifende Form. Der Geiger Goldmark – als Komponist war er Autodidakt – erstellt seine Partitur eher nach dem Baukastenprinzip. Doch der Freiburger Generalmusikdirektor Fabrice Bollon und das fabelhafte Philharmonische Orchester arbeiten am Premierenabend ebenso sorgfältig wie leidenschaftlich die Details dieser Musik heraus, die dort am meisten Kraft schöpft, wo sie eine betörende exotische, opulente Klangaura erstehen lässt.
Dass sich die Regisseurin Kirsten Harms nicht auf diesen Taumel einlässt, ihn aber auch nicht konterkariert, ist nachvollziehbar. Die Interpretation der seit dem Ende ihrer Intendanz an der Deutschen Oper Berlin freischaffenden Regisseurin konzentriert sich auf die archaischen Prinzipien der Thematik, auf die Zielkonflikte von Geschlechtern und Religionen. Und so verorten sie und ihr Mann, der Bühnen- und Kostümbildner Bernd Damovsky, die in alttestamentarischer Zeit spielende Handlung in großen, dunklen Räumen. Allerdings mit klaren Indizien. So verweist die auf einen Zwischenvorhang projizierte Klagemauer ebenso auf den Schauplatz Jerusalem wie auf die Unüberwindbarkeit religiöser Auffassungen.
Das ist stringent erzählt und fängt in seiner Ästhetik auch Zeitkolorit ein, etwa wenn die auf dem Zwischenvorhang funkelnden Goldpailletten der Königin an Bilder Gustav Klimts erinnern. Nicht die einzige Anspielung auf das Wien des Fin de Siècle. König Salomo wird zum Dr. Freud, der in die Königin verliebte Assad zu seinem Patienten. Die kleinen ironischen Geplänkel – zum Fest im dritten Akt spielt man „Reise nach Jerusalem“ – tun der Inszenierung gut, ihr Grundzug bleibt indes der eines nach den zeitlosen Wahrheiten schürfenden Assoziationstheaters mit großen Cinemascope-Bildern.
Und mit dem dazu passenden, packenden Sound. Denn musikalisch ist dieser Freiburger Opernabend von allererster Güte, auch im Hinblick auf seine vokalen Qualitäten Da ist der junge thailändische Tenor Nuttaporn Thammathi, dem eine echte Karriere winken könnte. Er verfügt in ganz hohem Maße über jenen unglaublichen Mix an lyrischen und dramatischen Qualitäten, den die Partie des Assad abverlangt. In der Titelpartie glänzt Katerina Hebelková mit loderndem Sopranfeuer. Irma Mihelics Sulamith ist von berührender lyrischer Zartheit, dabei ganz glockenrein. Und Kim-Lillian Strebels Gesang der Astaroth berührt mit makellosen Vokalisen. Karoly Szemeredy lässt dem Salomo mitunter ein Zuviel an Durchschlagskraft angedeihen. Prächtig und homogen agieren die von Bernhard Moncado einstudierten Chöre. Auf die parallel zur Produktion anberaumte Gesamtaufnahme der Oper (dann ohne Kürzungen) beim Label cpo darf man sich jetzt schon freuen.