Erzgebirge als Ort der Entdeckungen
So verdienstvoll und bislang höchst erfolgreich der Ausgrabungsehrgeiz der kleinen sächsischen Bühne und ihres Intendanten Moritz Gogg auch ist, diesem „Don Buonaparte“ dürfte es wohl nicht viel anders ergehen. Das schmälert allerdings den Ehrgeiz und die künstlerische Sorgfalt, mit der sich das Hausensemble, der Generalmusikdirektor Jens Georg Bachmann sowie Regisseur und Ausstatter Lev Pugliese der Uraufführung gewidmet haben, kein bisschen. Manches muss man einfach ausprobieren und unter Betriebsbedingungen testen, um sagen zu können, ob es in Serie gehen beziehungsweise dem Repertoirebetrieb mit Aussicht auf Erfolg empfohlen werden kann. Oder eben nicht. Bisher hat Gogg so oft richtig gelegen, dass der Windschatten der Erfolge auch diesen „Don Buonaparte“ gleichsam schützt.
Die Anstrengungen, Alberto Franchetti ins Publikumsbewusstsein zurückzuholen, sind allein schon mit dessen Biografie zu rechtfertigen. Der Italiener mit jüdischem Hintergrund wurde 1860 in Turin in eine Familie hineingeboren, der sowohl der väterlicher Großgrundbesitz als auch die Abstammung seiner Mutter aus der Rothschild-Dynastie ein privilegiertes Dasein sicherte. Daneben hielt selbst Giuseppe Verdi so viel von seinen Talenten, dass er den jungen Mann für einen Kompositionsauftrag zur 400-Jahr-Feier der Entdeckung Amerikas empfahl. Was 1892 zu seinem erfolgreich uraufgeführten „Cristoforo Colombo“ in Genua führte. Mit seinem „Asrael“ hatte er sich schon 1888 neben Giacomo Puccini, Ruggero Leoncavallo oder Pietro Mascagni etabliert.
Dass der einst populäre Komponist so gründlich von den Spielplänen und aus dem kollektiven Gedächtnis verschwand, hat (fast schon „natürlich“) nicht nur mit sich wandelndem Zeitgeschmack oder seiner Vorliebe für Wagner, sondern vor allem mit dem Triumph des Rassenwahns der deutschen und ebenso der italienischen Faschisten zu tun, die die „Rassengesetze“ der Nazis 1938 übernahmen.
Heimatfilm-Schmonzette als Oper
Mit seinem Versuch einer musikalischen Komödie, schaffte er es zu seinen Lebzeiten nicht mehr auf eine Opernbühne. Die Story dieses „Don Buonaparte“ ist übersichtlich simpel. Eigentlich so eine Art Heimatfilm-Schmonzette als Oper verkleidet. Es geht um Dorfpfarrer Don Geronimo (mit vollem Einsatz: László Varga), der sich als Neffe des gerade zum Kaiser der Franzosen aufgestiegenen Napoleon herausstellt. Und dessen Neffe nun – ob aus einem nostalgischen Gefühl seiner einfachen Herkunft gegenüber oder aus politischem Kalkül – einen Kardinalshut verpassen lassen und bei seiner Krönung dabei haben will. Seine Verwandtschaft hat der Korse ja immer ganz gut versorgt.
Im Dorf jedenfalls löst die vom einem General der französischen Eroberer (mit militärischem Donnern: Jinsei Park) überbrachte Nachricht einen Schub von Erwartungen aus. Jeder will vom Aufstieg profitieren und mit nach Rom beziehungsweise dann vor allem nach Paris. Nur der heimatverbundene Pfarrer liebt die Idylle seiner toskanischen Heimat mehr als den Purpur. Er hält eine Bleibe-im-Lande-und-nähre-dich-redlich-Ansprache, die kein Ende nehmen will und macht allen einen Strich durch ihre Rechnung. Mit etwas gutem Willen kann man die Liebesgeschichte zwischen seinem Mündel Mattea (Sophia Keiler) und einem französischen Korporal als Komödie auffassen. Wirklich leicht und beschwingt ist das musikalisch nicht wirklich. Es dominiert ein schwerblütig erdverbundener musikalischer Duktus, der nur ab und an mal in fulminant hymnische Ensembleszenen mündet. So, wenn etwa der Wein gefeiert wird.
Heimelige Inszenierung in Annaberg-Buchholz
Die Inszenierung in Annaberg-Buchholz setzt bewusst aufs historische Anheimelnde. Allein die Videos zu Beginn und am Ende, die immer Toscana-Stimmung pur einfangen und auch mal einen Blick in die berühmte St.-Annen-Kirche nicht weit vom Theater entfernt bieten, haben einen besonderen Reiz. In stimmungsvollen Landschaftsbildern (Film und Schnitt: Dominik Kwetkat) auf dem Zwischenvorhang bewegen sich Menschen und Tiere unmerklich – so wie heute bei manchen Handy-Foto-Programmen möglich ist. Für ein Schmunzeln reicht das allemal.
Das Premierenpublikum im ausverkauften Haus würdigte die künstlerische Anstrengung gebührend enthusiastisch.