Foto: "Stadt der 1000 Feuer" am Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen. Bernadette La Hengst © Pedro Malinowski
Text:Andreas Falentin, am 24. Februar 2014
Das Thema ist hochspannend, geradezu akut. Um den Begriff „Arbeit“ soll es gehen. Wie hat er sich verändert im Lauf der Zeiten? Wie ist er besetzt? Was meint er heute? Eine Suche mit theatralischen Mitteln soll es sein, sinnlich auf allen Ebenen, wie die Einführung verspricht, und das auch noch unter der besonderen Berücksichtigung des Ruhrgebiets. Das Premierenpublikum im nicht ausverkauften kleinen Haus des Musiktheaters im Revier ist auch wirklich gespannt. „Wer arbeitet denn heute eigentlich noch?“, fragt ein Zuschauer.
Ihn erwartet ein einfaches Arrangement. Die 35 Sänger des Gelsenkirchener Opernchores stehen in Alltagskleidung hinter Mikrophonen auf der undekorierten Bühne, ihren Text in der Hand. Vor ihnen sitzen die vier „Solisten“, gleichfalls in Alltagskleidung, an einem langen Tisch, auf dem ihr Text liegt. Im Programmheft sind der Komponist Oliver Augst und der Autor John Birke als Regisseure ausgewiesen. Ein Nachweis ihrer Arbeit findet sich auf der Bühne jedoch nicht. 70 Minuten dauert dieses „Bühnenhörspiel“, 70 Minten lang wird Text abgelesen und –gesungen. Dies tun alle bis auf den durch Präzision und Engagement herausstechenden Sven-Ake Johannsson in seltsam privater Haltung. Die verwendeten Sprechchortexte aus den 20erJahren werden vom Chor mit fein abgestuftem Wohlklang gestaltet. Das musikalische Arrangement lässt energetische, oder gar dramatische Interpretation kaum zu. Dass diese Texte auf Veränderung drängen und vor allem eine existenzielle Notlage artikulieren, vermittelt sich nicht. Was sie heute auf einer Bühne zu suchen haben könnten, gleichfalls nicht.
In sechs Themenkomplexe ist der kurze Abend aufgeteilt. Da geht es um Gastarbeiter und Praktikum, um Marx und Werkmaschine, um Musik und „Opferagenturen“, auch mal kurz ums Ruhrgebiet. Die Solisten sind gute Sänger, alle mit individueller Stimmtechnik, irgendwo zwischen Jazz, Pop und Klassik angesiedelt. Ihr kurzes Quartett – „O endless is this Misery“, eine Art Leitmotiv des Abends – ist der Höhepunkt der Aufführung. Gute Rezitatoren sind sie nicht. Theatrale Entfaltungsmöglichkeiten gesteht man ihnen nicht zu. So wird, mit arg vielen Versprechern, auch aus den spannenden Passagen des Textes nur harmloses Kabarett. Ohne Wut, ohne definierte Haltung bleiben der absurde Humor, die poetischen Ansätze, die der Text durchaus bietet, dem Publikum verschlossen.
So ist diese „Stadt der 1000 Feuer“ leider nur ein magerer Braten ohne Füllung, wenn auch ambitioniert gewürzt, kein Musiktheater, nur ein laffes, konzertantes Oratorium – trotz des spannenden Themas.