Wie zu Cunninghams Lebzeiten begleitet Komponist Gavin Bryars und sein Ensemble die 14 Perfomer live aus dem Orchestergraben: unaufdringlich, mit einem Sound von meditativen Sphärenklängen. Die Plattform der in metallic-silbern schillernde Trikots gekleideten Tänzer changiert zwischen nüchtern schwarz und sich überwischenden weißen und blauen Quadraten (Bühne: Shelley Eshkar, Paul Kaiser). Zur Decke hin erstrecken sich farbige Leuchtstreifen, deren Anzahl, Form und Konstellationen sich im Verlauf des Stücks permanent verändern. Blickfang und Clou von „Biped“ sind allerdings die dreidimensional durch Lichtwald und Raum huschenden Bildwesen aus geschwungenen Linien oder tänzelnden Punkten. Im Wechsel der Beleuchtungseffekte sorgen sie für eine ästhetisch einmalig reizvolle Wirkung sowie anrührende Momente, in denen digitale Körper die irdische Bodenverhaftetheit der Tänzer in Dimensionen grenzenloser Schwerelosigkeit weiterzutragen scheinen.
Dieser deutschen Ersteinstudierung stellte Bayerns führende Kompanie in ihrem neuen Zweiteiler „Exits and Entrances“ mit „Unitxt“ des aus North Carolina stammenden Ex-Forsythe-Tänzers Richard Siegal eine in seiner Machart Cunningham vergleichbare Uraufführung voran. Die Körper von sieben Frauen und fünf Männern sprühen vor Virtuosität; ihre formale Konzentration und Ausfüllung des leeren Raums wird durch Lichtgestaltung und Aufscheinen von Schriftzügen mitbestimmt. Carsten Nicolai hat dazu eine rhythmisch dröhnende Klangkulisse mit starken Beats gezaubert, die sowohl Ensemble als auch Zuschauer mitreißt. Nach 25 Minuten brandet Applaus auf. Bejubelt wird das organische Zusammenwirken von tänzerischer Energie und visueller Atmosphäre bis hin zu tranceartiger Sogwirkung. Siegal, der am 5. Juli mit dem Tanzpreis der Landeshauptstadt München ausgezeichnet wird, hat ein reines Tanzstück abgeliefert, voller Dynamik, dominiert von explosiver Körperspannung. Flamencotänzern nicht unähnlich, schlagen die Frauen ihre Spitzenschuhspitzen auf den Boden, – bis Dunkelheit das Wort Silence verschluckt. Die Frage nach dem Beitrag des Industriedesigners Konstantin Grcics zum Drive der Paare löst das Programmheft: Aus der Ferne unscheinbare Griffschlaufen an den Korsagen der Tänzerinnen ermöglichen bewegungstechnische Innovation und choreografische Beschleunigung.