Den vielen Wörtern hört man gern zu – weil Wolfgang Michael die meisten spricht, besser: rauslässt. In den besten Momenten scheint er die Sottisen seiner Figur im Moment gefunden, erfunden zu haben. Er spielt genau und konzentriert, wird nie laut, lässt nie los, zeigt die Tragik einer klassischen Künstlerfigur, die irgendwann so viel Ich ist, dass ihr die Welt verloren geht. Und Elias Reichert setzt mit gradlinigem, zum Ende hin auch variantenreichen Spiel einen sympathischen, nie verloren gehenden Ken dagegen.
Dennoch überzeugt der Abend als Ganzes nicht. Vielleicht, weil der, von Carl Hegemann im Programmessay wegen seiner Erfolge mit „Gladiator“ oder „James Bond: Skyfall“ ein wenig süffisant als ‚Drehbuchschreiber‘ titulierte Autor John Logan glaubt, sehr viel Primärinformationen vermitteln zu müssen. Sein Duo muss uns den Nietzsche ausführlich aufdröseln, Pollocks Tod interpretieren oder Matisse‘ Vorbildrolle für Rothko ausführlich betonen, während sämtliche anderen Lebensbereiche, zumindest der Rothko-Figur, nahezu vollständig ausgeblendet bleiben. Und das Ende, eine Antizipation von Rothkos Freitod, kommt extrem unvermittelt. Vor allem aber fehlt es am Regiezugriff. Eine als Faltenwurf drapierte Riesenleinwand wird in der Mitte des zweistündigen Abends straff gezogen. Wolfgang Michael zieht sich ein paarmal um und scheint, mit Frisur und Haltung, seiner zynischen Intelligenz, seiner selbstbestimmten Wurschtigkeit, manchmal nicht nur Rothko zu sein, sondern auch, in wenigen kostbaren Momenten, ein Heiner Müller oder ein Frank Castorf zu sein, eine widerständige Künstlerpersönlichkeit an sich. Aber mehr Bild, mehr Assoziationsräume, mehr wirkliche Bewegung gibt es nicht. Am rechten Rand der Bühne in der Außenspielstätte am Offenbachplatz befindet sich ein Sammelsurium an 60er-Jahre-Utensilien, in deren Mitte die Souffleuse wie ein Ausstattungsgegenstand drapiert ist. Von hier aus wird Geld aus der Kaffeekasse genommen, Whiskey eingeschenkt, immer wieder, Schallplatten aufgelegt, durchaus programmatisch schlüssig, beginnend etwa mit Strawinsky „Petrushka“, aber ohne Einfluss auf den Umgang mit dem Text. Vor allem aber fehlen die Farben, über die ständig gesprochen, deren Symbolik fast durchgängig diskutiert wird. Am Anfang, als wir Zuschauer eintreten, liegt eindeutig Farbgeruch über dem Raum, was sich aber als perfide falsche Fährte erweist. Wenn die Darsteller Rothkos Bilder betrachten, schauen sie ins Publikum, schwingen sogar einmal die Rampe entlang pantomimisch den Pinsel. Auch die Leinwand im Hintergrund muss blass bleiben, bis Ken ein paar Tropfen Flüssigkeit drauf schüttet. Die Sinnlichkeit des im Programmessay als historische Konstante behaupteten Vorgangs des Übermalens wird nicht theatralisch produktiv, nicht einmal verfügbar gemacht. Melanie Kretschmanns inszenatorischer Umgang mit dem Text bleibt voll und ganz, in Anführungszeichen, apollinisch. Dionysos fehlt unentschuldigt.