Doch als habe der Regisseur damit bereits sein ganzes Pulver verschossen, dümpelt der restliche Abend in dröger Auf- und Abtrittsroutine vor sich hin. Wie ein Opernpassionsspiel im Cinemascopeformat, ein bisschen Hollywood, wenig gute, dafür aber ganz alte Oper, kurzum: Oberveronagau. Wobei sich „Gau“ hier auch als größter anzunehmender Unfall auf der Bühne interpretiere ließe… Das ist schade, denn es ist eine vertane Chance. Nicht für große Teile des Publikums offenbar, denn der Jubel für die Regie am Ende ist einhellig, aber für die Zukunft. Einen Weg aus der Opernregiekrise weist solches Tableautheater nicht, zumal nicht mit einem Werk, das sicher innerhalb Verdis Schaffen zu wenig beachtet wird, aber dennoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass der Meister sich hier noch im Anfangsstadium seiner genialen Musikdramaturgie befindet und sich bei weitem noch nicht virtuos über alle Usancen und Konventionen des Opernbetriebes seiner Zeit hinwegzusetzen weiß.
Riccardo Muti ist gleichwohl der profilierteste Anwalt, den man sich für diese Musik vorstellen kann. In seiner, wie er angekündigt hat, letzten Salzburger Festspielproduktion lässt der 70-jährige Maestro einmal mehr seinen kompromisslosen Verdi-Interpretationsstil erkennen: Es ist jenes oft als kalt bezeichnete, scharfe Zeichnen der Phrasen, jenes expressive Vorandrängen – ein Musizieren, das die Kontraste zwischen Verdis schneidendem Blech und einem intensiv-melancholischen Streicherklang geradezu heraus meißeln lässt. Spürt man eingangs noch, dass die Belastung für die in klanglicher Hinsicht einfach unvergleichlichen Wiener Philharmoniker derzeit enorm ist, und dass gerade den Ensembleszenen mit der ansonsten proper agierenden Chorvereinigung Wiener Staatsopernchor (Thomas Lang) ein paar mehr szenische Proben gut getan hätten, so schaukelt sich der Abend musikalisch mehr und mehr hoch; gerade die Wahnsinnsszene der Lady Macbeth mit einer sich immer mehr steigernden, eruptiven, überaus facettenreich dramatischen Tatjana Serjan gehört zu den Opernsternstunden. Ob man dieser Oper Gutes tut, indem man die viel über Theaterkonventionen ihrer Zeit aussagende Ballettmusik der zweiten Fassung dem dritten Akt voranstellt, sei dahingestellt. Die Stärken des jüngeren Verdi liegen in seinen musikalischen Psychogrammen.
Zeljko Lucic in der Titelpartie liefert ein solches – ein Macbeth, der sein Brüche und Unsicherheiten auch vokal einzufangen weiß, ein warmer Bariton mit hohem stimmlichem Ausbruchspotenzial. Bewegend sind auch der Wahnsinnsbass Dmitry Belosselskiys (Banquo) und der hinreißend bewegliche, strahlkräftige Verdi-Tenor von Giuseppe Filianoti (Macduff). Am Ende der lange Zeit vorher schon ausverkauften Produktion atmet das gepeinigte Schottland auf, und das Publikum, wie gesagt, es jubelt.
(Weitere Aufführungen am 6., 9., 12., 16., 19., 22., 24. August.)