Foto: Stefanie Klimkait, Sebastian Schmid und Henry Braun in "Das Weite suchen, das Weite finden..." am LTT. © LTT/Frank Pieth
Text:Manfred Jahnke, am 26. September 2011
Eigentlich eine traurige Geschichte: Da brechen drei Jugendliche aus ihrem Alltag der elterlichen Vorschriften und Verbote aus. Ein Mädchen und zwei junge Männer wollen per Schiff in eine befreite Welt, streiten sich, müssen erkennen, dass sie genau die Argumente ihrer Mütter und Väter benutzen, vor denen sie fliehen – und kehren in die Elternhäuser zurück. Und doch gibt es Hoffnung in dieser Rückkehr, in den Familien spricht man plötzlich miteinander. Bruno Stori hält die ihm eigene Balance zwischen spielerischer Komik und dem gleichzeitigen Ernstnehmen der Nöte dieser jungen Menschen. Im Lachen darüber, wie diese Figuren sich auf der Bühne verhalten, drückt sich das Erkennen existentieller Erfahrungen des Zuschauers aus.
Was Bruno Stori 2006 aus der Sicht der drei Jugendlichen in „Unterwegs I“ auf die Bühne brachte, wird in „Unterwegs II“ 2009 um die Perspektive der Erwachsenen ergänzt. Die Mutter des Mädchens sowie die Väter der beiden männlichen Jugendlichen machen sich auf die Suche nach ihren Kindern. Mitten im Wald erkennen sie, wie einst die eigenen Eltern ihre Lebensentwürfe durchkreuzten. Für einen Moment fern des Alltags realisiert sich die Möglichkeit eines anderen Lebens, ein Befreiungsakt für den Augenblick, der ein Verstehen zwischen den Generationen aufblitzen lässt – und doch nur eine utopische Hoffnung ist, weil die kulturelle Ausformung von Erziehung nun einmal eine Behütung von Kindern bedeutet, die von Sanktionen und autoritären Setzungen begleitet ist.
Beim Festival „Schöne Aussicht“ 2010 in Stuttgart waren die Uraufführungsinszenierungen von Bruno Stori zu sehen. Wunderbar komische Geschichten, geprägt von drei SchauspielerInnen, die ein Gespür für die leise Komik der Situationen entwickelten. Um so erstaunlicher ist, dass es Karin Eppler in ihrer Inszenierung gelingt, das Ensemble, das zugleich jugendliche und Elterngeneration spielen muss, bei der deutschen Erstaufführung am LTT Tübingen zu der Höhe führt, die das Ensemble von Bruno Stori auszeichneten. Wenngleich auch in Deutsch nicht immer die Melodien der italienischen Sprache nachgeahmt werden können, gelingen Eppler mit Licht und durchdachten musikalischen Einspielungen fast opernhafte Bilder. Auf der nur von wenigen Elementen bestimmten Bühne können die Schauspieler ihre Stärken ausspielen. Als Jugendliche überzeugen Stefanie Klimkait, Henry Braun und Sebastian Schmid mit ihren spielerischen Kämpfen absolut. Der zweite Teil allerdings wirkt ein wenig unfertig, die hysterischen Ausbrüche von Stefanie Klimklait noch zu aufgesetzt. Während Henry Braun mit seiner leisen, aber eindrücklichen Komik überzeugt, erscheint Sebastian Schmid ein wenig hölzern.
Nichtsdestotrotz feierte das Publikum diese Inszenierung, die nachdrücklich deutlich machte, dass hier dem Repertoire des deutschen Kinder- und Jugendtheaters eine wunderbare Geschichte zugewachsen ist.