Amerikaner lassen sich schon lange sogenannte Panic Rooms errichten, um sich unter anderem vor Einbrechern zu schützen. Tendenz steigend. Der „Panic Room“, der nur mehr via Technik Kommunikation mit der Außenwelt ermöglicht, besitzt Symbolkraft. Er ist ultimativer Rückzugsort, eine Kapsel aus Stahl und Eisen. Damit aber das genaue Gegenteil von Freiheit. Er ist ein klaustrophobischer Ort des Horrors, wie man sehr anschaulich in David Finchers gleichnamigem Film mit Jodie Foster in der Hauptrolle sehen kann. „Panic Room“ hat auch das Fürther Community-Projekt „Brückenbau“ seine jüngste Tanztheater-Performance genannt, die noch bis zum 15. Juli im Kulturforum zu sehen ist.
Jutta Czurda, seit 1998 Ensemblemitglied des Stadttheaters Fürth, hat 2009 „Brückenbau“ ins Leben gerufen mit dem Ziel, Laien jeden Alters für die Welt des Theaters, der Musik und des Tanzes zu begeistern und eine Bürgerbühne zu schaffen. Damit war sie ihrer Zeit voraus – heute bemüht sich jedes Theater um Bürgernähe. In vier Werkstätten – Schauspiel, Tanz, Performance und Singen – können sich die Fürther seitdem ausprobieren. Am Ende der Proben steht jeweils eine Aufführung, und so sind in den letzten Jahren bereits sieben abendfüllende Produktionen entstanden. Mal lag der Schwerpunkt auf dem Schauspiel, mal auf dem Gesang, mal auf dem Tanz. In der kommenden Spielzeit wird man das zehnjährige Bestehen groß feiern. Unter anderem mit „Storming the Stage“, einem Best-Of aus den vergangenen Jahren. Wer gesehen hat, mit welcher Energie und Leidenschaft die Beteiligten derzeit „Panic Room“ aufführen, der wird sich das Jubiläumsprogramm im Mai 2019 in seinem Terminkalender vormerken.
Mit „Panic Room“ haben sich die Werkstätten Tanz und Performance ein Thema am Puls der Zeit für ihre Inszenierung gesucht. Doch steht in dem Stück, das die 16 Teilnehmer, elf Frauen, fünf Männer, unter der professionellen Leitung von Yvonne Swoboda einstudiert haben, weniger die Angst als soziales Phänomen im Vordergrund, als vielmehr die vielen individuellen Gesichter der Angst. Erzählt wird deshalb auch keine durchgängige Geschichte, sondern eine Szenen-Collage. Thematisiert wird die Angst vor Spinnen ebenso wie die Panik, in der Liebe den ersten Schritt zu machen, oder die Furcht, vor Publikum aufzutreten. Letztere kennt sicher jeder der Darsteller, schließlich steht keiner von ihnen Abend für Abend auf einer Theaterbühne. Und so ist „Panic Room“ nicht nur ein Abend über Angst. Sondern auch über ihr Gegenteil: Mut! Nicht zuletzt Mut, sich fallenzulassen und nicht panisch davonzulaufen.
Das Kulturforum ist ein schwierig zu bespielender Ort. Die weitläufige Halle wird getragen von im Raum verteilten Säulen – früher war in dem historischen Gebäude der Fürther Schlachthof untergebracht. Die Inszenierung von Yvonne Swoboda und ihrem Bühnenbildner Christian van Loock geht jedoch mit großer Souveränität mit dem Problem um. Geschickt lässt man das Laienensemble in weiten Hosen und langen Mänteln (Kostüme: Kaja Fröhlich-Buntsel) die gesamte Raumbreite bespielen, wobei die Lichtregie mit einzelnen Spots sowie zwei tief hängenden Lampen Akzente setzt. Zu sehen gibt es vom Solo über das Duett bis zur Gruppenchoreographie verschiedene Formen des Tanzes. Es wäre ein Leichtes, nun etwa fehlende Synchronität zu bemängeln, aber darum geht es hier nicht. Vielmehr geht es um die Intensität des Ausdrucks, und die ist bei allen vorhanden. Und so werden wir vor dem Hintergrund neonlichtbestückter Kabinen, die Panic Rooms andeuten, und einer Leinwand mit Videoprojektionen von düsteren Rauchwolken bis anbrandenden Meereswellen, Zeugen von mitunter berührenden Körperbildern. Das Stärkste: Auf die Rücken von drei langsam durch den Raum krabbelnden Männern haben sich Frauen gelegt. Schützend wie ein Panzer. Jedes der Paare erinnert so an Schildkröten, denen man ja landläufig Weisheit nachsagt.
Eindrucksvoll dargestellt werden auch die körperlichen Reaktionen bei Angstattacken: Anspannung, verkniffene Mimik, Herzrasen. Dabei ist die Bühne häufig in diffuses Licht getaucht, werden verstörende Elektro-Klänge eingespielt oder das melancholisch leise „Für Alina“ von Arvo Pärt. Aber auch Chansons. Etwa „Ne me quitte pas“ als Musik gewordene Angst vor dem Verlassen-Werden. Das Überraschendste an der achtzigminütigen Inszenierung ohne Pause – allein das für Laien eine nicht hoch genug zu bewertende Leistung –ist indes: Swoboda lässt das Frostig-Schwarze nicht die Oberhand gewinnen. Vielmehr wechseln angstbesetzte Szenen ab mit solchen, die die Überwindung dieser schmerzhaften Emotion zeigen. Ja, am Ende überwiegen sie sogar. Und dann wagen alle Darsteller zu jazzigen Klängen sehr verrückte Tänzchen voller Humor, die einem ob der schlenkernden Arme und Beine und lustigen Grimassen ein Lachen aufs Gesicht zaubern.