Foto: Staatsrat in der Badewanne. In der Mitte Boris Statsenko als Zar Dodon © Hans - Jörg Michel
Text:Andreas Falentin, am 17. April 2016
Rimskij-Korsakows letzte Oper nach einem Märchen von Puschkin macht es weder ihren Zuschauern noch dem Regisseur wirklich leicht. Im Mittelpunkt steht Zar Dodon, ein sehr konkreter tyrannischer Gewaltherrscher, der in ständiger Angst um seinen gemütvollen, faulen Lebensabend lebt. Ein scheinbar aus dem Märchenreich entstiegener Astrologe bietet einen goldenen Hahn als Sicherheitsindikator an und bekommt dafür völlige Wunschfreiheit. Sobald der Hahn aber Gefahr annonciert, bricht auf allen Ebenen Chaos aus, in dessen Mittelpunkt eine schöne Frau, die Königin von Schemacha, steht, und das mit dem Tod des Zaren und des Astrologen, der gleich danach einen Epilog singt, endet. Was ist das jetzt? Aus dem Leim gegangene Märchenoper, poetische Parabel oder doch kernige Politsatire? Das attraktiv exotische Orchesterkolorit, das Rimiskij-Korsakow geradezu verschwenderisch über seiner Partitur ausgießt, trägt genauso wenig zur Klärung bei wie die ratternden Paarreime voller unübersetzbarer Doppeldeutigkeiten.
Dmitry Bertman, der Gründer und Leiter der Moskauer Helikon-Oper, fasst den „Goldenen Hahn“ als Typenkomödie auf, verbannt allerdings Astrologe, Königin und Hahn durch die goldenen Kostüme von Ene-Liis Semper in eine Fabelwelt. Der Rest spielt, die Kostüme deuten es an, in einem stilisierten Komödien-Heute, das zwar, etwa mit der Gewandung des Damenchores, immer wieder Russland-Klischees zitiert, sich aber nie explizit mit der politischen Situation dort oder sonstwo befasst. Zu Beginn sitzen der Zar und sein engster Kreis in der Badewanne. Nackte Oberkörper lassen an den berühmten berittenen Putin denken, aber gespielt wird betulicher Slapstick. Die wichtigen Pointen sitzen, das Spiel wirkt professionell organisiert, aber ein wenig leblos. Nur wenn Boris Statsenko als Zar seinen Charme auspackt, sich zu herrlich linkischen Tanzversuchen traut oder seinem mächtigen Bariton mal ein leise abrutschendes Piano gestattet, kommt Leben in die Bühnenaktion. Und ausschließlich im Schlussbild, wenn der eigentlich tote Dodon mit hinterfotzigem Grinsen huldvoll winkend das Volk erschreckt, erhält das Geschehen eine kleine satirisch-brisante Komponente.
Sonst rauscht es vorbei. Der Schemacha-Akt spielt in Paris und besteht im Wesentlichen aus merkwürdig abgestandener Hochglanzerotik mit arg zaghaften ironischen Akzenten. Wobei Antonina Vesenina die Königen herausragend singt, entspannt höhenstark, sinnlich attraktiv und in vier Sprachen wortdeutlich, ein Effekt im Bemühen um polyglotte Westlichkeit. Auch Cornel Frey als Astrologe könnte seine fast erschreckend hohe Tenorpartie in dieser Form erfolgreich weltweit an jedem großen Opernhaus singen. Axel Kober und die Düsseldorfer Symphoniker machen einen guten Job, gehen allerdings mit Rimskij-Korsakows Instrumentaleffekten und Klangvaleurs ein wenig sachlich um.
Das Premierenpublikum erfreute sich an den musikalischen Leistungen und dem erkennbaren Witz des Librettos und reagierte mit frenetischem Jubel, der das Regieteam ausdrücklich einschloss.