Foto: Puck (Jens Harzer) vor Filmwand in Stefan Puchers "Sommernachtstraum" am Hamburger Thalia Theater. © Armin Smailovic
Text:Detlev Baur, am 28. November 2012
Nur einer behält einen kühlen Kopf in diesem Spiel um Liebe und Eifersucht, Gier und Selbstüberschätzung. Der Puck, den Jens Harzer im „Sommernachtstraum“ am Thalia Theater Hamburg spielt, erscheint als Zirkusdirektor in schwarz, hat aber auch Züge eines Bestattungsunternehmers. Immer bleibt er aber ruhig, so eilig es sein vermeintlicher Herr, Oberon auch haben mag. Ein Hauch von Verachtung für dessen eiferndes Eifersuchtsdrama umgibt Puck; vor allem aber durch seine souveräne Routine, seine distanzierte Empathie und eine Prise Resignation (ob der tumben Liebes-Macht-Spiele im Elfen-, Menschen- und Tierreich) wird dieser vornehme Puck zum Außenseiter dieser Nacht. Als Gegenpol zu all den aufgeregten Wichtigtuern wirkt er auch als spannendste, humanste Figur der Inszenierung. Einmal verliert er ¬ fast ¬ die Fassung und murmelt wiederholt ein trauriges „Er schafft es nicht“. Puck ist auch der erste reale Mensch auf der Bühne – und er wird der letzte am Ende sein.
Denn den Anfang von Stefan Puchers Inszenierung macht ein Filmstreifen mit Szenen zwischen Helena (Marina Galic) und Lysander (Rafael Stachowiak) sowie vom runden Tisch der Familie. Zwischen Vorabendserie und schwarz-weißem Filmrelikt entsteht da schon vor dem nächtlichen Waldspiel eine surreale Atmosphäre. Stéphane Laimés Bühne zeigt nach Pucks Einführung dann eine schwärzliche Baumhecke hinter einem von dunklen Blättern bedeckten Boden. Im Mini-Wald klettern die Liebenden einander nach, nach vorne gedreht zur Laube gewendet hängt hier die musikalische Titania (Sebastian Rudolph) fledermausgleich in den Ästen. Diese androgyne Gestalt erweitert das Arsenal der Lüste ebenso wie ihr zürnender Gatte Oberon (Bruno Cathomas), der in seinem Outfit Assoziationen an Sado-Maso-Sexpraktiken weckt. Die vier jungen Liebend-Hassenden sind vergleichsweise wenig ernsthaft angelegt, besonders Rafael Stachowiak überzeugt dabei durch coole rappige Äußerungen, die den Sprecher als Performer seiner selbst entlarven. Jacques Palminger und Heinz Strunk wiederum geben den schauspielernden Handwerkern, deren Kabuff unter dem Wäldchen hervor gefahren wird, das rechte dilettantische Maß; Jörg Pohl ist als egozentrischer Zettel nicht nur albern, sondern verleiht der Verwandlung in einen potenten Esel auch eine tragikomische Note. Er scheint durchaus unter seiner Potenzprotzerei zu leiden, allein Eselsmann kann nicht anders.
Die Inszenierung wirkt durch Musikeinlagen, Filmeinspielungen (aufgenommen in einem kleinen Hamburger Zirkus) melancholisch, aber keineswegs zuckrig. Durch die starken, bis überragenden Darsteller gerät dieser „Sommernachtstraum“ höchst unterhaltsam und bietet zugleich eine ungewöhnlich schlüssige Ausführung des Liebesverwirrspiels. Von lauer Sommernacht ist allerdings wenig zu spüren, eher entsteht das Panorama einer nordischen Novembernacht, die alle kurzsichtige Kreatürlichkeit bitter-komisch entblößt. Zu Pucks entsetztem Entzücken.