Das Mädchen aus der Kneipe kämpft derweil mit dem Handy – und bekommt mit der Zeit Szenenbeifall dafür. Und das ist die schönste Regie-Idee in der Inszenierung von Amina Gusner für die Komödie im Winterhuder Fährhaus. Das Stück des Engländers Nick Hornby war im Original eine englische Fernsehserie und hieß ursprünglich „State of the Union“. Unter diesem Titel brachte auch schon Regisseur Matthias Rippert das Stück am Theater Braunschweig auf die Bühne.
Eine Frage der Werktreue?
Ob zum Beispiel eine Kneipe der beste Ort ist für das Stück? Louise hat ihrem Mann Tom gerade einen Seitensprung gebeichtet. Die beiden nehmen in der Hamburger Fassung immer noch ein Bierchen und einen weißen Wein, bevor sie zur Beratungsstunde bei der Beziehungsspezialistin gehen. In Braunschweig saß das Ehepaar einfach im Wartezimmer neben einer traurigen Grünpflanze.
Zwischendurch ist Tom für eine Weile ausgezogen. Gegen Ende kommt er jedoch nicht nur zurück, sondern bringt gemeinsam mit Louise die ermüdete Ehe wieder in Schwung. Die Ehe der beiden hat also Zukunft, und die Zimmerschlachten zuvor waren nur eine Phase in der fortschreitenden Beziehung. Louise ist 50 und Ärztin. Tom ist vier Jahre älter und eigentlich Musikjournalist. Gerade ist er arbeitslos. Er passt in das Muster eines ziemlich hoffnungslosen Fundamentalisten der Kultur; also tendenziell eher sympathisch.
Die Konstellation dieser beiden Londoner Großstadt-Neurotiker ist ziemlich gelungen, weshalb die Übertragung in die Hamburger Nachbarschaft aber wenig nützlich ist und auch nicht wirklich funktioniert. Obendrein sprechen die beiden in einer der Sitzungsvorbereitungen auch über den „Brexit“, der nach dem Referendum im Stück noch bevorsteht. Wenn die Erinnerung nicht täuscht, waren die Brexit-Passagen (Tom votierte für den Austritt, die klügere Louise vehement dagegen) in der Braunschweiger Fassung gestrichen; vernünftigerweise.
In der Tat zeigen sie nur, dass der Arbeitslose und die Ärztin einander auch politisch nicht wirklich verstehen. Gegen Ende, in einer der besten Begegnungen, denken beide intensiv darüber nach, was sie eigentlich wirklich miteinander verbindet. Guter Sex, ja; und zwei Söhne, die ihnen längst entglitten sind. Das ist aber nicht wirklich viel. Vor allem im zweiten Teil des Abends sondiert das Stück sehr tief und konzentriert die Voraussetzungen dessen, was Beziehungen heute noch ausmachen kann, was sie haltbar bleiben lässt.
Ein Spotlight auf die Nebenrolle
Das Paar spielen Nina Kronjäger und Heiko Senst. Beide sind in den 50ern, passen also sehr genau zum Stück, wirken aber deutlich jünger. Es braucht reichlich Vorstellungskraft, um sich Langeweile und Ermüdung vorzustellen in der Beziehung dieses Paares. Das belebt aber nur das Streiten der beiden; und als sie gegen Ende wieder zueinander finden und Beraterin Beraterin sein lassen, mag dem Publikum das völlig selbstverständlich vorkommen. Den anstrengenderen Kampf hat ohnehin die Bedienung in der Kneipe hinter sich: mit dem Handy am Ohr.
Dass diese Randfigur so erfreulich wichtig wird im Winterhuder Fährhaus, hat einen eigentlich sehr einfachen Grund – der Text selbst bewegt sich überwiegend an Oberflächen; Fantasie stiftende Zugaben durch die Regie sind also sehr willkommen, ja unbedingt nötig. Hier in Hamburg gelingen die musikalischen Einlagen von Musikkritiker Tom am Mikrofon eher nicht so grandios, aber die Bedienung bringt‘s – in Braunschweig waren es die anderen Paare, die Louise und Tom regelmäßig beobachten, während sie auf den eigenen Termin bei der Beraterin warten.
Im Winterhuder Fährhaus spielen diese alternativen Paare tatsächlich mit. Zwei Mitglieder aus dem Tanz-Ensemble gestalten alle Duette immer wieder neu und verblüffend variantenreich – und wie die Thekenfrau in Hamburg werden sie zum beklatschten Ereignis: am Rande vom Kern der Geschichte.