Moritz Löwe im Vordergrund als produktiver Nihilist, der seine Klasssenkameraden in Aufregung versetzt: Die deutschsprachige Erstaufführung von "Nichts. Was im Leben wichtig ist"

Nicht viel zu sehen

Janne Teller: Nichts. Was im Leben wichtig ist

Theater:Düsseldorfer Schauspielhaus, Premiere:13.10.2011 (DSE)Regie:Marco Storman

Am Ende bringen die Klassenkameraden Pierre Anthon um. In der deutschsprachigen Erstaufführung von Janne Tellers Bestseller-Jugendroman „Nicht. Was im Leben wichtig ist“ am Jungen Schauspielhaus Düsseldorf wird er mit dem Kopf nach unten aufgehängt. Da baumelt er über der Bühne, während ein Großteil des auf die Spielfläche geleiteten Publikums um ihn herum steht. Das ist ein starkes Bild, das aber auch sinnbildlich für die etwas lose baumelnde Erzählkraft der Inszenierung steht. Denn einerseits finden Regisseur Marco Storman und die sechs Darsteller auf Ramona Rauchbachs Bühne starke Bilder und Momente; insgesamt gehen der Inszenierung (und der Theaterfassung von Andreas Erdmann) jedoch Klarheit wie Sinnlichkeit ab.

Der Erzählduktus mit dem Blick zurück dominiert dieses Spiel um Pierre Anthon, der am ersten Schultag nach den Sommerferien behauptet, nichts auf der Welt habe Bedeutung. Seine Kameraden sind da ganz anderer Meinung, merken aber bald, dass die Sinnsuche nicht ganz so einfach ist. Da entstehen köstliche Bilder auf den schrägen Podesten vor Holzwand (auf die nach und nach puzzleartig das große Foto einer perfekten jungen Familie geklebt wird), wenn die fünf im Kreis (wie Sportler) hyperaktiv nach Ideen suchen. Moritz Löwe als schlauer Außenseiter dominiert das Geschehen, auch indem er auf dem zentralen Podest wie ein DJ das Spiel mit Geräuschen vorantreibt. Dann beginnen die anderen einen „Berg aus Bedeutung“ aufzuschichten – vielmehr sie erzählen davon, wie jeder das für ihn Bedeutungsvollste für den Haufen opfern muss. Dabei entsteht ein skurriler und horrender Kreislauf aus Gruppenzwang und Aggressionen, der bis zu einem zu opfernden Finger des begnadeten Gitarristen Jan-Johan führt. Der künstliche Berg, der, als das Projekt auffliegt, von einem Museum für viel Geld aufgekauft wird, ist in der Düsseldorfer Inszenierung bezeichnenderweise nicht Teil der Entwicklung, sondern erst im Finale zu sehen, wenn die rückwärtige Holzwand geöffnet wird und das Publikum auf die Bühne gebeten wird.

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Der Ansatz ist spannend, die Inszenierung hervorragend getimt, das Zusammenspiel auf hohem Niveau – gleichwohl bleibt diese erste von zahlreichen „Nichts“-Inszenierungen auf deutschen Bühnen ein wenig ungefähr. Figuren haben kaum eine Chance zu entstehen, nacherzählende Berichte dominieren, nur selten entstehen schöne Szenen wie die komische Gruselszene auf dem Friedhof (wo der Sarg eines verstorbenen Bruders für den Berg ausgegraben wird). Das Junge Schauspiel in Düsseldorf (das baubedingt die gesamte Spielzeit des neuen Teams am Schauspielhaus Düsseldorf eröffnet) beginnt mit einem reizvollen nihilistischen Stück ab 13, in dem das philosophierende Wortspiel dominiert. Das ist ein bemerkenswerter Start einer Sparte, die immer erwachsener wird und vom neuen Schauspielintendanten auch ernster genommen wird als zuvor. Nur möchte man den Figurenfragmenten manchmal zurufen, dass es vielleicht auch kleine sinnliche Dinge sein können, die dem Leben Sinn verleihen. Doch dafür haben die Figuren wie die Inszenierung mit ihrer großen Ambition keinen Blick.