„Kaikou“ von Susanne Linke bei "Tanz im August".

Nicht bedeutend: Halbzeit bei „Tanz im August”

Guilherme Botelho/Lucinda Childs/Susanne Linke: Sideways Rain/Dance/Kaikou

Theater:Hebbel am Ufer, Premiere:12.08.2011

Von links nach rechts, und das eine Stunde lang: Was auf den ersten Blick absurd erscheint, erweist sich im Nachhinein als die konsequenteste Kreation, die bisher beim größten, wenngleich nicht unbedingt bedeutendsten Tanzfest in Berlin zu sehen ist: ein Zug der Lemminge, den nichts aufhalten kann. Ununterbrochen sind die fünfzehn Tänzer und Tänzerinnen der Schweizer Kompanie „Alias” im Einsatz. Mal kriechen sie, mal kippen, rollen, treiben sie: ein kollektiver Krebsgang, der keinen Augenblick Langeweile erzeugt. Im Gegenteil. Guilherme Botelho – ein Brasilianer, den es einst im Gefolge von Oscar Araiz nach Genf verschlagen hat – macht vielmehr aus der Endlos-Schleife seiner Choreografie eine Evolutionsgeschichte, die in vielfacher Weise deutbar scheint und doch vor allem eines ist: Tanz und nichts anderes als Tanz.

Insofern lässt sich „Sideways Rain“ als Fortsetzung von „Dance“ interpretieren, wenngleich mit anderen Mitteln. Mit der minimalistischen Choreografie von Lucinda Childs ist das Festival „Tanz im August“ im ehemaligen Hebbel-Theater eröffnet worden, und das auf eine höchst komplexe Weise, die den scheinbar simplen Formalismus am Ende wieder relativiert. Damit ist „Dance“, 1979 zu einer Auftragskomposition von Philip Glass konzipiert, mehr als bloß ein Bravourstück, das seit zwei Jahren wieder erfolgreich um den Erdball tourt: nämlich ein Bewegungsmodell, das aller Abstraktion zum Trotz eine Vielschichtigkeit besitzt, die auch vom Betrachter ein manchmal nachgerade erschöpfendes Engagement einfordert.

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Ohne das geht es auch bei der einzigen großen Uraufführung nicht. „Kaikou“ nennt Susanne Linke ihre Arbeit, was im Japanischen soviel wie „Seelenwanderung“ bedeutet. Und gewandert, gekreist, gekrochen wird darin ohne Unterlass: ein Zyklus aus Werden und Vergehen, Tod und Wiedergeburt, Sieg und Niederlage – immer wieder in Gang gesetzt von der Choreografin, die sich wie eine Hohepriesterin oder eine Figur aus einem Nô-Spiel einmischt in ein Geschehen, das weitgehend im animalistischen Dunkel bleibt.