Ensembleszene

Natürlichkeit des Spielraums

William Shakespeare: Wie es euch gefällt

Theater:Landestheater Tübingen, Premiere:08.07.2016Regie:Jan Jochymski

Was braucht es mehr als eine Neckarinsel mit einer viel gerühmten Platanenallee und eine tolle Sicht auf das Schloss Hohentübingen? Dazu in einer warmen Sommernacht das Plätschern der Stocherkähne auf dem Neckar, das Zwitschern der Vögel in den Bäumen und Unmengen von Mücken im Scheinwerferlicht. Der Ort selbst ist der Hauptdarsteller und Sabine Schmitt (Bühnenbild) war gut beraten, als sie einen der großen Bäume zum Ausgangspunkt für ein kleines Labyrinth aus Holzstegen machte, also mit Naturmaterialien arbeitet und die Sicht auf die Platanenallee in das Spiel miteinbezieht. Ansonsten ergänzen zwei gelbe runde Podeste, wie man sie aus der Manege kennt, ein Zirkuswagen, in dem die Musik untergebracht ist, die Szene, sowie eine Art Gulaschkanone, die sich aber später als Klavier erweist. Gespielt wird die Übersetzung von Frank-Patrick Steckel, der die Handlung von Shakespeares „Wie es Euch gefällt“ sehr strafft, in gegenwärtigen Sprechjargon überträgt und die Handlungen auf die vier Heiraten am Ende hin konzentriert. Letztendlich kann man „Wie es Euch gefällt“ als eine Modellanordnung lesen, wohin die Liebe fällt, als das Aufzeigen von vier verschiedenen Möglichkeiten, wie Mann und Frau zueinander finden können. Die Regie von Jan Jochymski geht da noch einen Schritt weiter als Steckel: Bei ihm wird „Wie es Euch gefällt“ zum Spektakel, mit viel wabernden Nebel, der manchmal statt zur Bühne über den Neckar zieht, farbigem Licht – selbst die Bäume mit grünen Laub müssen noch einmal grün angestrahlt werden -, Jokes und viel Musik, die Maria König arrangiert hat. Das bekommt Tiefe, wenn die berühmten Monologe von Shakespeare/Steckel vertont werden, aber bleibt pure Unterhaltung, wenn da ein Song nach dem anderen von „I`m a Believer“ bis „A Letter“ in überzeugenden Choreografien live vorgetragen werden. Es ist schon Klasse, wie das Ensemble sich immer neu zur Band formiert.

Jochymski sortiert die Handlung relativ einfach. Am Anfang spielt sich alles am Hofe des Herzogs Frederick ab, der seinen Bruder Ferdinand abgesetzt und verbannt hat. Da geht es sehr aggressiv zu, die Farben Lila-Schwarz dominieren in den Kostümen, der Usurpator trägt eine stilisierte Generalsuniform mit silbernen Stern und der Ringer Charles agiert als eine Art von Monstertotenkopfmaschine, die dennoch von Orlando, den Patrick Schnicke als etwas tumb anlegt, besiegt wird. Noch einfacher ist die Gesellschaft im Ardenner Wald durchgestylt: eine Gesellschaft von Hippies, die sich schon mal in den Musikwagen zum Kiffen zurückzieht, Ferdinand, von Raphael Westermeier im Teppichmantel gespielt, offensichtlich eine Geschichte mit Jacques hat, für den die ganze Welt eine Bühne ist. Michael Ruchter führt dabei weniger den Melancholiker vor als den Philosophen, der auf der Suche nach dem Sinn des Lebens nicht mehr in die bürgerliche Welt zurück kehren möchte. Im Zentrum stehen Rosalind und ihre Kusine und Freundin Celia, die immer wieder behauptet, dass Rosalind nur stets an sich selbst denken würde. Carolin Schupa spielt die Celia nicht als schüchternes Mädel, sondern emanzipiert sich im Spiel. Franziska Beyer führt zunächst Rosalind als neugierigen Teenie vor, verliert aber in ihrer Hosenrolle als Ganymed auf der Flucht in den Ardenner Wald zunehmend die Kontrolle über ihre Gefühle.

Natürlich lässt es eine Freilichtbühne nicht zu, den Gegensatz von Zivilisation und Natur, den Shakespeare wie in vielen seiner Stücke auch in „Wie es Euch gefällt“ verhandelt, wirklich ins Bild zu setzen. Dafür wirkt die Natürlichkeit des Spielraums einfach zu stark, auch, wenn Jochymski diesem kleine künstliche Zeichen entgegen setzt, wie z.B. kleine Plastikblumentöpfe oder Plastikblumen. Leitmotivisch wird darüber hinaus während der gesamten Aufführung mit gekochten Eiern gespielt, die zunächst der Narr Prüfstein (Andreas Guglielmetti) aus seinen Ärmel zaubert, Rosalind und Celia machen einen Eierlauf und einmal sitzt fast das gesamte Ensemble da und isst die Eier. Solche symbolischen Aktionen, immer wieder bildreich umgesetzt, markieren diese Inszenierung, die nicht die Tiefen der Handlungen auslotet, sondern ihre stärksten Momente immer dann findet, wenn sie mit viel farbigem Licht zur Show mutiert.