Das ist natürlich ziemlich gewagt, weil diese Liebe nach Wagners Intention vollkommen inkommensurabel in Bezug jede politische Haltung ist, sei sie nun affirmativ oder revolutionär. Zudem beschädigt Knabe mit seinem Aktionismus immer wieder das fragile Mysterium der „Tristan“-Musik, vor allem dort, wo er Markes Trauer und Verzweiflung über Tristans Verrat als verlogene politische Pose deutet, mit der Marke, immer wieder vom Gelächter seiner Gefolgsleute unterbrochen, Tristan zynisch bloßstellt. Da wirkt dann vieles doch krampfig um Überdeutlichkeit bemüht, weil es vom Werk selbst nicht wirklich getragen wird. Und manches, wie der angedeutete Clash of Civilizations oder auch die Ballerei zwischen Markes und Tristans Mannen, ist nur unbedacht draufgesetzt, aber nicht wirklich entwickelt.
Dem neuen Mainzer GMD Hermann Bäumer gelingt es trotz einiger Wackler und Nuscheleien im Orchester, sowohl die emotionalen Aufwallungen wie auch die kammermusikalischen Feinheiten der Partitur zur Geltung zu bringen und beide Extreme durch weitgespannte Entwicklungen zueinander in Beziehung zu setzen. Und die Sänger fügen sich famos ein in diesen reichen Ausdruckskosmos. Hier beeindruckt vor allem Alexander Spemann als Tristan, der zwar mit etwas gepresstem Forte beginnt und im Piano immer mal wieder etwas brüchig klingt, der sich aber im zweiten Akt freisingt und die mörderische Kraftanstrengung der Fieberphantasien im dritten mit beeindruckender Kondition und Gestaltungskraft übersteht. Ruth Staffa, neu im Mainzer Sängerensemble, ist eine ausdrucksstarke Isolde: im Piano zwar etwas dünnzittrig und im hohen Forte manchmal schrill, aber sehr profiliert in der Charakterisierung. Kraftvoll und vielschichtig in den Ausdrucksvaleurs legt auch Patricia Roach ihre bemerkenswert gute Brangäne an. Und Heikki Kilpeläinen singt einen markanten Kurwenal, während Hans-Otto Weiß als Marke etwas stereotyp und schwammig in der Linienführung bleibt. Am Ende begeisterter Applaus und für Tilman Knabe und sein Team neben einigen kräftigen Buhs auch viele Bravos. Alles in allem kein schlechter Auftakt also für die Opernsaison in Mainz unter der neuen Operndirektorin Tatjana Gürbaca.