Szene aus "Die Feen"

In den Seelen brodelt es

Richard Wagner: Die Feen

Theater:Staatstheater Meiningen, Premiere:15.09.2023Vorlage:La donna serpenteAutor(in) der Vorlage:Carlo GozziRegie:Yona KimMusikalische Leitung:Killian Farrell

Da Richard Wagner seine Erstlingsoper „Die Feen“ selbst nicht mochte, ist sie fast in Vergessenheit geraten. Das Staatstheater Meiningen bringt das Werk dennoch auf die Bühne. Musikalisch werden die Inspirationen hörbar und auch die romantischen Leitmotive kommen in der Inszenierung zum Tragen.

Der Bayreuther Meister war peinlich berührt, wenn die Rede auf seine erste Oper kam. Die vermeintliche „Jugendsünde“ schien äonenweit von Richard Wagners Musikdramen entfernt. Der 20-Jährige scheiterte im Jahr 1833 daran, das Werk „Die Feen“ am Leipziger Theater unterzubringen, in fortgeschritteneren Jahren hingegen widersetzte sich der Komponist jedem Anlauf zur Uraufführung. Erst posthum konnte die „Große romantische Oper in drei Akten“ 1888 in München aus der Taufe gehoben werden.

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Die Uraufführung war ein klarer Erfolg. Das Werk wurde zunächst nachgespielt, geriet dann aber gegenüber den für Bayreuth kanonischen Werken ins Hintertreffen. Ganz wesentlich mag die überbordende Handlung um die alle Hindernisse überwindende Liebe des Kronprinzen und späteren Königs Arindal zur Fee Ada dazu beigetragen haben. Wagner als sein eigener Librettist inflationiert romantische Versatzstücke aus Feenwelt und Rittertum. Er bedient sich dazu der Gegensätze von Menschen- und Geistersphäre sowie zweier Metamorphosen samt Fluch und Trugbild.

Wagners ewige Motive

Aus dem wild wuchernden Rankenwerk der Begebnisse ragen freilich Motive heraus, mit denen sich Wagner lebenslang beschäftigen sollte: Ada erteilt dem Geliebten ein Frageverbot – er bricht es. Zuvor hatte die Fee die Gestalt einer weißen Hirschkuh angenommen – Arindal erlegt sie wie Parsifal den Schwan. Indem der Intrigant Harald ihm Trugbilder von der Feen-Gemahlin als Feindin vorspiegelt, lässt sich der Prinz dazu verleiten, Ada zu verfluchen, worauf diese sich in Stein verwandelt. Von Ferne scheint darin die in Tiefschlaf versetzte Brünnhilde auf. Zur Befreiung der Gattin dringt Arindal final durch die Geisterwelt gleich Siegfried durch den Flammenring um den Walkürenfelsen.

Wagners Partitur zielt auf Überbietung, vor allem Beethovens und Webers. Für Arindal reichen sich der „Fidelio“-Florestan und der Max des „Freischütz“ die Hände. Beethovens Leonore mutiert bei Ada zum vokalen Mordanschlag auf jugendlich-dramatische Soprane. Manches kündet Tannhäuser und Lohengrin an. Frappant aber, wie sich eine Szene Arindals gleichsam als Vorstudie zu Tristan gibt. Denkbar, Wagner verhinderte in späteren Jahren die Uraufführung der Feen nicht so sehr der vermeintlichen Jugendsünde halber, weit eher scheute er davor, sich allzu tief in die Karten blicken zu lassen.

 

In der Mitte einer Bühne eine weiße Skulptur eines liegenden Hirschs. Eine Frau in Violett geht darauf zu. Im Hintergrund steht der Chor.

Lena Kutzner überzeugt als Ada, die selbst als weiße Hirschkuh erschossen wird. Foto: Christina Iberl

Oper und Romantik

Regisseurin Yona Kim verlagert in ihrer Inszenierung am Staatstheater Meiningen die überbordende Romantik des Sujets ganz ins Innere der Figuren. Romantik – Feenwelt und Rittertum – bedeutet ihr bürgerlichen Eskapismus aus der von Zensur und gebrochenen Verfassungsversprechen entpolitisierten Welt der Restaurationszeit, in der „Die Feen“ entstanden. An der Oberfläche herrscht tiefstes Biedermeier, in den Seelen aber brodelt es. Feenhafte Wunschmaiden, Metamorphosen und die Schlacht wider böse Geister werden zu Surrogaten verbotener politischer Aktion.

Arindal hält dieses innere Toben nicht länger aus. In seinen Phantasmagorien wackerer Streiter und Feengemahl, holt ihn die prosaische biedermeierliche Realität immer wieder ein. Kim schildert ihn, als habe es die zerrissene Titelfigur aus Jacques Offenbachs „Les contes d’Hoffmann“ in die Wagnersche Erstlingsoper verschlagen. Hier nun landet der Antiheld in der Psychatrie. Doch vermögen selbst Injektionen die Hirngespinste nicht zu vertreiben. Ada und das Feenreich locken mit Zaubermacht und Erlösung von den politischen und gesellschaftlichen Zwängen der Biedermeierwelt. Bühnenbildner Jan Freese siedelt die Handlung in einem Sanatorium gehobener Klasse an. Immer wieder dringen Caspar David Friedrichs Bildwelten als Projektionen aus Arindals Kopf auf des Krankenzimmers helle Wände. Kostümbildner Frank Schönwald mischt Biedermeiergarderobe mit Heutigem.

Blick in einen Bühnenraum: Ein Bild hängt an der Wand, die eine vergrößerte Version des Bildes zeigt. Neben einem spartanischen Bett steht ein Mann im Halbdunkel.

Die Szenen in Meiningen erinnern an die romantischen Bilder von Caspar David Friedrich. Foto: Christina Iberl

Meininger überzeugen musikalisch

Auch musikalisch stemmen die Meininger das sperrig-faszinierende Werk hochkompetent. Unter Roman David Rothenaicher agieren Chor und Extrachor des Hauses ebenso präzise wie durchschlagskräftig. Generalmusikdirektor Killian Farrell destilliert mit der Meininger Hofkapelle aus dem Beethoven-Weber-Amalgam der Partitur heraus, was auf Wagners künftigen unverwechselbaren Personalstil hindeutet.

Unter vokalen Vorzeichen sind Ada und Arindal wahre Monsterpartien: David Danholt weiß dem Feen-Gemahl meist schöne Emphase und begeisterte Exaltationen zu verleihen. Für Ada bietet Lena Kutzner ihren jugendlich-dramatischen Sopran der Extraklasse auf. Stupend, wie Kutzner die mörderische Partie in hellem Jubel und blankem Leiden zu ihrer Sache macht. Emma McNairy gibt Arindals Schwester Lora mit ebenso voller wie runder Tongebung. Als Arindals Freund Gernot überzeugt Johannes Schwarz. Auch alle weiteren Solistinnen und Solisten vereinen sich zur Ensembleleistung aus einem Guss.