Foto: Die Brüder Moor in Hagen (Kjell Brutscheidt im Vordergrund und Harry Schäfer) © Klaus Lefebvre
Text:Detlev Baur, am 13. Januar 2019
Auf der vielversprechend aufgeräumten Bühne (Kaspar Glarner) hängt eine Schaukel von der Decke. Ein Spot geht an und erleuchtet einen im Boden (mit der Spitze nach oben steckenden) Degen, zu dramatischer Streichermusik betritt Vater Moor dann (Klaus Lehmann) mit Rollator die Bühne. Anschließend setzt sich Amalia (Tatiana Feldman) auf die Schaukel und liest, es folgt Franz (Harry Schäfer) mit Notebook. An diesem Gerät entwickelt er mit falschen Mail-Briefen die Intrige gegen seinen abwesenden Bruder Karl.
Diese Eingangsszene ist bezeichnend für Francis Hüsers` Inszenierung von Schillers „Die Räuber“ am Theater Hagen. Das von Hüsers geleitete Haus konzentriert sich eigentlich auf Musiktheater (und im „Lutz“ auf Kinder- und Jugendtheater). Doch auch in dieser Schauspielinszenierung spielt Solorepetitor Dan K. Kurland immer wieder eine Rolle, als Begleiter Amalias bei Gesangsübungen oder als musikalischer Dienstleister bei Franz` Intrigen. Harry Schäfer, Gast wie auch die anderen Schauspieler, spielt den todbringenden Sohn und Bruder als schmierigen Showmaster. Das ist amüsant und (teilweise) überzeugend, bleibt jedoch stark an der Oberfläche. Die Frage, was diesen Menschen antreibt zu seinem perfiden Handeln der Familie und der Verlobten seines Bruders gegenüber, bleibt offen.
Die Inszenierung nutzt vor allem musikalische Effekte: durch eingespielte Musik von Barber, Beethoven, Bach bis zu Nina Simone und Rammstein. Die von Franz inszenierte, falsche und todbringende Nachricht vom Tod des Bruders an den Vater ist mit dramatischer Musik unterlegt. Die Räuberbande Karls wiederum erscheint erstmals durch eine in den großen Monolog von Franz (über seine Motivation) eingebaute Videoeinspielung; diese zeigt eine Gruppe junger Menschen, die auf einem Spielplatz abhängen und zu sinnloser Gewalt neigen. Der Auftritt der fünf Räuber erfolgt über die Zuschauerränge – mit viel Lärm und respektlosen Bemerkungen über das Theater: Auf die Spielfläche geklettert, wirken die Rowdies auf der Bühne jedoch ziemlich brav – und fast ein wenig allein gelassen. Gewalt und Hass sind behauptet und konstruiert. Das Spiel bleibt technisch geschickt inszeniert, die darstellerische Ausarbeitung der Charaktere wirkt hingegen unfertig. Neben Musik und Licht samt Videoeinspielungen werden zur Verstärkung der kaum ausgespielten Emotionen auch immer wieder tragbare Mikrophone eingesetzt; schließlich stellen die mit anderen und ihrem eigenen Leben spielenden Räuber auch lebensgroße Doppelgänger-Pappfiguren neben sich: als zeichenstarkes Bild, das kaum ins Spiel integriert wird.
Sind die Darsteller zu wenig aufeinander eingespielt oder hatte die Regie zu wenig Vertrauen in ihre Fähigkeiten? Im zweiten Teil, wenn die Klettergerüste aus dem Eingangsvideo (Video: Bibi Abel) zunehmende die Bühne dominieren, deutet Kjell Brutscheidt als Karl Moor an, dass die Figuren aus Schillers überdrehtem Erstlingswerk auch heute noch berühren können. Er zeigt nun einen verzweifelten jungen Mann, der zu Hause die Missverständnisse aufklären will, aber schon zu tief in die Spirale aus Mord und Totschlag gefangen ist. Sein Zögern und Nicht-Verstehen berühren über die ansonsten dominierende Zeichenhaftigkeit hinaus. Doch zunächst kann auch er in der kleinen Gruppe aus wenig prägnanten Räuberfiguren sein Handeln nicht motivieren. Statt opernnaher Regiearbeit wäre diesen „Räubern“ mehr Schauspiel zu wünschen gewesen, mit viel innerer Musik.