Searching for Zenobia Münchener Biennale

Sinnsuche in Kriegszeiten

Lucia Ronchetti: Searching for Zenobia

Theater:Muffatwerk München, Premiere:31.05.2024 (UA)Regie:Isabel OstermannMusikalische Leitung:Susanne Blumenthal

Als Teil der Münchener Biennale inszeniert Isabel Ostermann „Searching for Zenobia“ von Lucia Ronchetti. Das Musiktheater wird durch Tagebuch-Monologe und eine Klangmischung aus unterschiedlichen Kulturen und Jahrhunderten unter der musikalischen Leitung von Susanne Blumenthal getragen.

Für das künstlerische Leitungsduo Daniel Ott und Manos Tsangaris ist es das fünfte und letzte Mal, dass sie die Münchner Biennale für Neues Musiktheater verantworten. Das aktuelle Festival-Motto „On the way“ ist in diesem Jahr aber keineswegs nur als ironischer Kommentar zum eigenen Weiterziehen zu verstehen. Denn auch die gezeigten Uraufführungen folgen mit Themen wie Flucht, Mobilität und Veränderung alle diesem roten Faden.

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Zum Auftakt war dabei in der Muffathalle Komponistin Lucia Ronchetti mit ihrem Musiktheater-Stück „Searching for Zenobia“ angetreten. Einer auf mehreren Ebenen spielenden Reise durch die Jahrhunderte, die sie gemeinsam mit Librettist Mohammad Al Attar entwickelte. Im Zentrum steht die syrische Archäologin Zeina, die sich der Erforschung der antiken Geschichte Palmyras und seiner sagenumwobenen Herrscherin Zenobia verschrieben hat. Doch wie viele ihrer Landsleute wird auch sie durch Krieg und politische Unterdrückung zur Flucht nach Europa gezwungen, wo sie ihr Kind alleine großzieht und versuchen muss eine neue Existenz aufzubauen.

Aus dem Tagebuch

Erzählt wird Zeinas bewegtes Leben durch eine Reihe von Tagebuch-Einträgen, in denen auch ihre entfremdete Tochter Leyla nach dem Tod der Mutter Einblicke in das Seelenleben ihrer inzwischen krebskranken Mutter erhält. Immer wieder verwoben mit Einwürfen Zenobias, die in Gestalt von Mezzosopranistin Milda Tubelytė schon beim Betreten der Muffathalle in ihrer Hälfte des gespiegelten Bühnenraums thront und sich immer wieder ins Geschehen mischt. Wofür Lucia Ronchetti musikalisch auf Tomaso Albinonis Oper „Zenobia, regina de‘ Palmireni“ aus dem Jahr 1694 zurückgreift, die in kleinen Fragmenten präsent bleibt, jedoch stets durch den begleitenden Chor und das von Dirigentin Susanne Blumenthal geleitete kleine Streicherensemble kommentiert oder gebrochen wird. Die Neukompositionen sind dabei durchwegs minimalistisch gehalten und von Ronchetti oft klug auf die nackte, unbegleitete Gesangs- oder Sprechstimme reduziert.

Searching for Zenobia Münchenener Biennale

Mais Harb als Zenobia mit Papierschiffchen. Foto: Judith Buss

Getragen wird der Abend vor allem von Schauspielerin Naima Laube, die sich in die langen Tagebuch-Monologe verbeißt und Zeinas Verzweiflung ebenso spürbar macht, wie deren wild herausgeschriene Wut. Quasi als gesprochenes Pendant zu den hier musikalisch verweigerten barocken Affekt-Darstellungen. Ein interessanter Twist, der in der klaren und zum Glück nie effekthascherischen Inszenierung von Isabel Ostermann nicht zuletzt dank Laubes darstellerischer Präsenz gut aufgeht.

Klangmischung aus Geschichten und Kulturen

Für eine ganz eigene Farbe sorgt schließlich noch die syrische Vokalistin Mais Harb, die ihre arabischen Gesänge zunächst aus dem Publikum heraus anstimmt, dann aber ebenso in die Handlung eingreifen darf wie ihr Landsmann Elias Aboud am orientalisch angehauchten Schlagwerk. Durch sie vermischen sich bei diesem Theater mit Musik nicht nur Klänge aus unterschiedlichen Jahrhunderten und Kulturkreisen, sondern ebenso Historie mit individuellen Lebensgeschichten. Was dem Projekt einerseits eine hohe Authentizität verleiht, es aber auch schwer machen dürfte, Ronchettis jüngstes Werk losgelöst vom Ensemble der Uraufführung an andere Theater zu übertragen.

Und irgendwie schleicht sich beim Schlussapplaus nach gerade einmal 70 Minuten auch das Gefühl ein, dass die emotionale Geschichte womöglich noch stärker hätte wirken können. Etwa, wenn in diesem deprimierenden Kreislauf von Tod, Schmerz, Tränen, Verlust und Einsamkeit vielleicht auch die eine oder andere Rückblende in glücklichere Tage Platz gefunden hätte, um den Verlust fürs Publikum noch greifbarer zu machen. So aber ist die verlorene Heimat hier von Anfang an ein Trümmerfeld, das Familienglück durch den gewaltsamen Tod des Vaters bereits vor der ersten Szene längst zerstört und die Hoffnung ebenso ein Phantom, wie die Suche nach Zenobia.