Knappe Dialoge in der Version John von Düffels
Otfried Preußler stellt in der „kleinen Hexe“ die Doppelbedeutung des Begriffes „gute Hexe“ aus: Bedeutet das nun, gute Taten zu vollbringen? Oder ist man dann eine „gute Hexe“, wenn man viel Böses bewirkt? In seiner Fassung für das Theater konzentriert der Bearbeiter John von Düffel die Handlungen um diese Doppelbedeutung. Er verknappt dabei die Dialoge so, dass kaum Platz für Moralisierungen bleibt: die Handlungen bleiben unbewertet.
In seiner Regie an der Münchener Schauburg setzt Marcelo Diaz diese Entmoralisierung des Stoffes fort, indem er einerseits mit komischen Tricks arbeitet – wie am Anfang, wenn Simone Oswald auf dem Bauch liegt und im Zauberbuch liest und durch einen breiten Vorhang getrennt, die Füße zu sehen sind. Andererseits versucht er, eine magische Wirkung zu erzielen, etwa mit Videos (von Sarah Scherer aufwändig hergestellt), in denen Hexen in den Lüften tanzen oder Schnee fällt.
Aufmüpfigkeit gegen Ordnungswahn
Was Diaz gelingt, ist mit Mitteln des Theaters zu verzaubern. Dabei greift er tief in die Trickkiste. Eines seiner gelungensten Drehs ist, dass er Rumpumpel ständig auf der Bühne sein lässt. Hardy Punzel macht daraus eine beklemmende Studie eines Denunzianten, verstärkt dadurch, dass er allen Hexen seine Stimme – durch ein Mikrofon verändert – gibt. So kann das Ensemble der Hexen (Lucia Schierenbeck, David Campling, Sibel Polat, Annelie Straub und Anh Kiet Le) sich ganz aufs Spielen konzentrieren. Er manipuliert das Geschehen nach seinem Belieben – und das gibt dieser Geschichte von Preußler den entscheidenden Dreh. So setzt sich das Aufmüpfige, das Simone Oswald groß ausspielt, gegen den kleinbürgerlichen, bösartigen Ordnungswahn der Rumpumpel durch.
Wenn dann am Ende nur noch die kleine gute Hexe auf der Welt ist und alle bösen Hexen verschwunden sind, muss man keine Angst vor Hexen mehr haben. Aber ist damit das Böse aus der Welt?