Foto: Glucks "Iphigenie in Aulis" in Kaiserlautern. v. l. Bernd Valentin (Agamemnon), Michael Hauenstein (Kalchas), Mitglieder des Chors © Thomas Brenner
Text:Björn Hayer, am 24. Februar 2014
Wie ist das Schicksal zu begnügen? Am besten, indem man sich ihm voll und ganz ausliefert. Doch damit haben die Mitglieder des Königshauses in Christoph Willibald Glucks klassizistischer Oper „Iphigenie auf Aulis“ zunächst so ihre Probleme. Zwar bedarf es der Gunst des Fatums, um die Winde für Agamemnons (Bernd Valentin) Kriegsflotte gen Troja auszurichten. Doch als die Göttin Diane dafür das Opfer seiner Tochter Iphigenie (Adelheid Fink) einfordert, stürzt das Herrschergeschlecht in eine Krise.
Von großen Gefühlen und berührender Tragik ist in der aktuellen Inszenierung des barocken Klassikers im Pfalztheater Kaiserslautern unter der Regie von Benjamin Schad jedoch nichts zu spüren. Eingekleidet in beigen Uniformkostümen erscheinen die elegisch Klagenden als zeitlose Gefangene des Schicksals, wirkliche Akzente lassen die Figuren hingegen kaum erkennen. Selbst wenn Achill (Bernhard Berchtold) eigentlich unter zeremonieller Tonfeier mit Pauke und Trompete Iphigenie vor den Augen der Bevölkerung zum Traualtar führt, beraubt das passionslose Spiel die Szenerie jedweder Pathetik und Vitalität. Ebenso das minimalistische Bühnenbild erstarrt in Einfallslosigkeit: Die dunklen Holzwänden schaffen von Anfang an eine monolithische Kargheit, welche der ansonsten feinstimmig-überlegten Leichtfüßigkeit der Gluck’schen Melodieführung ungewollt entgegenwirkt. Auf dem Parkett regt sich hingegen wenig, die Musik erhebt sich ins Leere.
Lediglich zwei Kulissenbewegungen brechen den Stillstand: So lässt beispielsweise das allmähliche Sinken der Hinterwand, das spiegelbildlich die Schicksalsgefangenschaft der Todgeweihten veranschaulicht, zumindest den Versuch erkennen, aus der gedankenlosen Einfalt verzweifelt eine inszenatorische Idee herauszuquetschen. Gleiches gilt für das einzige Szenenrequisit, eine mit Rissen versehene Sitzmauer, die sich in gebogener Form zum Publikum hin öffnet. Nachdem Iphigenies Gatte Achill wie ihre Mutter auf die bevorstehende Hinrichtung die Nemesis prophezeien, wird das weiße Steinelement in den Himmel gehoben und ragt als Menetekel des Fluches wie ein schweres Damoklesschwert über der sich entzweienden Herrscherfamilie. Solcherlei Bildsprache hätte man sich von dieser unambitionierten Fehde mehr erhofft. Während Markus Bieringer mit seinem exzellenten Orchester stets um Enthusiasmus und Kraft im klanglichen Ausdruck bemüht ist, versinkt das Bühnengeschehen in einem ermüdenden Lamento. Dass sich die Heldin, mit der pflichtgemäßen Ergebenheit in ihr Schicksal den Götter genehm macht und schließlich das Geschenk der Begnadigung erhält, hinterlässt zwar ein Trauma. Tiefe vermag dieser nachhallende Schock jedoch nicht zu erzeugen. Auch die gezückten Holzschwerter der sich am Ende euphorisch auf die Schlacht in Troja vorbereitenden Truppen Agamemnons kann die allgemeine Mutlosigkeit nicht mehr wettmachen.