Anna Goryachova als Mascha in der Oper "Drei Schwestern" von Peter Eötvös.

Moskau liegt am Zürichsee

Peter Eötvös: Drei Schwestern

Theater:Oper Zürich, Premiere:09.03.2013Autor(in) der Vorlage:Antonin TschechowRegie:Herbert FritschMusikalische Leitung:Michael Boder/Peter Sommerer

Blitzschnell bewegen sich die auffällig gemaserten Stellwände aufeinander zu und voneinander weg. Wie von Zauberhand bewegt tauchen so die Sängerinnen in ihren Trachten auf. Und verschwinden wieder. Oder die anderen Karikaturen aus der russischen Provinz. In ihren Uniformen. Oder im russischen Bauernlook. Der Lust an der Travestie frönt dabei nur ein Bassist. Im aufgeplusterten riesigen schwarzen Gewand der Amme. Ursprünglich, bei der Uraufführung 1998 in Lyon, waren die drei Schwestern Anton Tschechows bei ihrer Verwandlung zum Operntrio durch Peter Eötvös (und seinen Librettopartner Claus H. Henneberg) zu Countertenören geworden. Das wäre für den ja allemal verkleidungslustigen Herbert Fritsch natürlich ein zusätzliches Bühnenfressen gewesen.

Im Opernhaus Zürich werden die drei Titelpartien aber von Frauen gesungen. Ivana Rusko, Anna Goryachova und Irène Friedli machen das als Irina, Mascha und Olga ganz großartig in den üppig bestickten Folklorissimo–Kostümen von Victoria Behr, mit ihren roten Apfelbäckchen und mit den blondzopfgeflochteten Satellitenschüssel- oder Herzchenfrisuren auf dem Kopf. Irina und Mascha stehen ohnehin im Zentrum einer Sequenz, wie Eötvös die individuelle Perspektive auf die jeweils gleiche Lebensverweigerung in der Provinz nennt. Die dritte, mittlere Sequenz ist einem großen Monolog ihres Bruders Andreij vorbehalten. Der ist mit einer Nervensäge von Frau geschlagen und hat auch keinen überzeugenden Umzugsplan nach Moskau. Elliot Madore macht aus seinem Soloauftritt ein dunkel leuchtendes musikalisch vokales Herzstück der Inszenierung. Und Fritsch verlässt sich dabei ganz und gar auf seinen Sänger und die Musik: Allein auf der Bühne, die mit ihrer Disharmonie auffallenden, reichlich hin- und her geschobenen Wände im Schnürboden, hinter sich nur das 50 köpfige Bühnenorchester unter Peter Sommerer und vor sich im Graben den kleineren 19köpfigen mit kammermusikalischer und solistischer Feinzeichnung beschäftige Teil des Orchesters unter Michael Boder. Das ist sehr melancholisch und traurig, das ist betörend schön. Und das kann der quirlige Beschleuniger Fritsch eben auch.

Seinen Fachwechsel vom Schauspieler auf Frank Castorfs Rechnung zum eigenwilligen Turbo-Regisseur und Bühnenbildner auf eigene ist auf der Sprechbühne längst akzeptiert. Von einer wachsenden Fangemeinde und von der Kritik. Für den Sprung auf die Opernbühne hat er einen längeren Anlauf genommen. Zuletzt mit Jacques Offenbachs „Banditen“ in Bremen. Jetzt, bei seiner Landung in Zürich, hat er weder sich, noch dem Stück den Hals gebrochen. Ganz im Gegenteil. Diese Schwestern machen Lust auf eine Begegnung mit dem Rest ihrer Opernverwandtschaft. Der Intendant der Komischen Oper jedenfalls war schon mal unter den Premierengästen. Und die spendeten ausführlich Beifall.