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Mord in der Kirche

Ildebrando Pizzetti: Murder in the Cathedral

Theater:Oper Frankfurt, Premiere:01.05.2011Autor(in) der Vorlage:T.S. EliotRegie:Keith WarnerMusikalische Leitung:Martyn Brabbins

Dass sich Opern von Ildebrando Pizzetti (1880-1968) heute nur selten auf den Spielplänen finden, liegt wohl nicht nur daran, dass er im faschistischen Italien Mussolinis allzu hoch geschätzt war, sondern auch an der bewussten Distanz, die er zum Verismo à la Puccini und zur Nachkriegsmoderne hielt. Die Oper Frankfurt hat jetzt Pizzettis späte Oper „Murder in the Cathedral“ ausgegraben. Mit diesem 1958 uraufgeführten Werk nach dem Vers-Drama von T.S. Eliot wird die Geschichte eines englischen Märtyrers erzählt, ja als Chorwerk geradezu wie ein Hochamt zelebriert, das sich auf die Bühne verirrt hat. In Frankfurt wird nicht nur, direkt auf Eliot zurückgreifend und mit Gewinn für die Authentizität des Geschehens, auf Englisch gesungen. Mit Martyn Brabbins am Pult des Frankfurter Opernorchesters, dem Regisseur Keith Warner und dem vor allem als Wagnerinterpret weltweit renommierten John Tomlinson in der Rolle des mit dem König in Clinch geratenen Thomas Becket ist das Ganze eine ziemlich britische Angelegenheit.

Im 12. Jahrhundert war Becket von der Politik an die Spitze der Kirche gewechselt und beim dann einsetzenden Kampf um die Macht mit dem König so aneinandergeraten, dass er erst sieben Jahre ins französische Exil gehen musste, um bei seiner Rückkehr von königstreuen Mördern umgebracht zu werden. Warner setzt das im eindrucksvollen Bühnenbild von Tilo Steffens in der atmosphärischen Dichte eines Raumes um, der eine Kirche oder auch ein Schutz bietender Tunnel sein könnte. Die Menschen, die aussehen wie aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, erwarten die Rückkehr ihres Bischofs, lassen sich aber mit einer beängstigenden Dynamik auf dessen Visionen vom eigenen Märtyrertod ein. Die Mörder dringen als arrogante englische Jagdgesellschaft mit Gewalt ein, malträtieren erst den Bischof und bringen ihn dann um. Die Szene liefert genau die parteiischen Bilder, die die Musik mit eindringlich pathetischem Parlando vorgibt. Wenn dann im Hintergrund ein riesiges, vom Schwert durchbohrtes Herz auftaucht, verliert die Inszenierung jede kritische Distanz zur Botschaft der Geschichte. Daran ändert dann auch die hintersinnige Rückkehr des Ermordeten nichts, der am Ende unerkannt unter seinen Anhängern wandelt.