Foto: Stefan Herheims Salzburger "Salome"-Inszenierung mit Hanna Schwarz (Herodias) und Emily Magee (Salome). © Osterfestspiele Salzburg/Forster
Text:Joachim Lange, am 3. Mai 2011
Nach vier Jahren mit der Ring-Übernahme aus Aix-en-Provence bediente Stefan Herheim jetzt bei den Salzburger Osterfestspielen mit seiner Wundertüten-Ästhetik das Verlangen des exklusiven Publikums nach einer Premiere mit Opulenz und Glamour. In seiner „Salome“ ist selbst das Edelpartyoutfit des Propheten nur leicht angeschmuddelt. Er will Salome als Opfer und Projektion zeigen, zu Lulus Schwester machen. Die Bühne wird beherrscht von einer übermächtigen Mondscheibe überm funkelnden Firmament und einem Riesenteleskop, das wahlweise auch als Laufsteg, Lichtspot, Phallussymbol oder Kanone dient. Beim Tanz schießt Salome ein Loch in diesen Mond, aus dem dann ein halbes Dutzend knallbunte Blondperücken-Doubels purzeln, um dann dem gesamten Hofstaat des Herodes die Kehlen durchzuschneiden. Es ist eine paillettenfunkelnde Kostümpartie mit hohen Priestern und Herrscherpersonal bis hin zu Stalin und Hitler.
Nimmt man diese Revueeinlage ernst, dann rebelliert die männliche Projektion des Weiblichen, dabei gegen die Machtverteilung der gesamten patriarchalisch dominierten Weltgeschichte. Bieten anfangs noch die genau beobachteten Parallelitäten von Obsession und Abwehr zwischen den in Maske und Habitus ähnlichen Paaren (Page-Narraboth, Salome-Jochanaan, Herodias-Herodes) einen Wegweiser in der dunkel funkelnden Edeldekadenz, so gehen beim Hofstaat des Herodes die Revuegäule mit Herheim durch, was in einer abstrusen (Nicht-)Kuss-Szene mündet. Der abgeschlagene Kopf des Propheten taucht als überdimensionierte Pappmaschee-Skulptur auf. Wenn Salome dort hineinsteigt, verschluckt sich diese Inszenierung endgültig an ihrer überdehnten Großmetaphorik. Der finale Schuss, den Herodias nach dem „Man töte dieses Weib“ auf Herodes abfeuert, ist da nur noch der Punkt auf dem i.
Zum Glück hatte Simon Rattle mit anfeuernder Akribie das Differenzierte, dunkel Leuchtende, auf die Moderne zielende der Strauss Musik aus den Berliner Philharmonikern herausgeholt. Der Salome von Emily Magee fehlte es etwas an Abgründigkeit, so dass Hanna Schwarz als Herodias mehr überzeugte. Pavol Breslik glänzte als Narraboth, Iain Paterson donnerte als Jochanaan achtbar. Am Ende feuerte dann auch das Publikum einige ziemlich gepfefferte Buh-Salven vor allem auf Herheim und sein Team ab.