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Mörderische Rachsucht

Giuseppe Verdi: Ein Maskenball

Theater:Theater Pforzheim, Premiere:21.09.2013Regie:Wolf WidderMusikalische Leitung:Markus Huber

Moderne Regietheater-Regisseure kommen auf die seltsamsten Ideen. Klaus Guth inszenierte 2005 in Frankfurt Giuseppe Verdis Oper „Ein Maskenball“, deren Libretto von Antonio Somma sich ursprünglich auf eine historische Mord-Verschwörung gegen den schwedischen König Gustav III (im Jahre 1792) bezieht, als bundesdeutsches Wahlkampfgetöse, in dem ein scheidender Minister seinen wiederzuwählenden Kanzler, der blonde Frauen (und eben auch die des Kabinetts-Kollegen) liebt, kaltblütig abknallt.

Wolf Widder hat in seinem „Maskenball“, der am Pforzheimer Stadttheater Premiere hatte, auf derlei aktualisierende Volten verzichtet und bleibt bei der traditionellen Dreiecksgeschichte, der Eifersuchts- und Liebestragödie im gehobenen südeuropäischen Adels-Milieu um 1800. Auch die Bühnenausstattung, eine seitlich aufgestellte Rundbogenportal- und Palast-Architektur aus weißem Marmor und eine mit ebensolchen Steinplatten ausgelegte Piazza als Spielfläche deuten darauf hin. Der regierende Fürst Riccardo begehrt Amelia, die Frau seines Freundes und Beraters Renato. Der rächt sich, als er von der Beziehung erfährt, und ersticht den Machthaber bei einem festlichen Maskenball, obwohl Amelia und Riccardo ihrer (platonisch gebliebenen) Liebe bereits entsagt haben.

Freilich hat Widder seiner im letzten Spieldrittel sehr dichten und pulsierend vorwärts drängenden Inszenierung auch Modernismen hinzugefügt: Die Kleidung der männlichen Darsteller besteht aus grauen Straßen-Anzügen heutiger Provenienz, die der Frauen aus ebenso langweiligen Kostümen und Mänteln (Ausstattung Sibylle Schmalbrock). Der Opernhöhepunkt, also der Maskenball, ist allerdings als Kontrast dazu ein sehr buntes Verkleidungsspektakel. Überflüssig sind bedeutungsschwangere Mätzchen. Ricardo und Amelia treffen sich heimlich, von der Wahrsagerin Ulrica angeregt, auf dem mitternächtlichen Friedhof – eine typisch makabere Verdi-Szene. In der Pforzheimer Aufführung ist der dunkle Ort des Stelldicheins eine Grube, in die in Plastikmüllsäcke verpackte Fukushima-Leichen von fotografierenden Roboter-Gestalten in weißen Strahlenschutz-anzügen abgekippt werden.

Insgesamt lebt die Aufführung von einem unter vokalen Gesichtspunkten sorgfältig ausgewählten Solistenteam – alle sangen sich robust durch die Premiere. Verdis Widerspiel von Komik und Tragik, von Scherz und Schrecken, das mit voller Härte die ganze Maskerade grundiert, steuert im Pforzheimer Theater mit energischem Kurs auf das mörderische Ende zu. Vor allem in den letzten großen Arien zeigen die Protagonisten, was sie können. Der dunkel timbrierte Sopran der sehr weiblich agierenden Susanne Levonen (Amelia) leuchtet tragisch verklärt in „Morrò, ma prima grazia“ (Der Tod sei willkommen). Renatos Rachlust findet eine mitreißende sangliche Gestaltung in „Eri tu“ (Du warst’s) – leider grimassiert der kraftvolle Bassbariton Hans Gröning von Anfang an als stocksteifer Finsterling. Tenoral glänzt Eric Fennell als Riccardo im abschließenden Liebes-Duett mit Amelia „T’amo, si“ (Ja, ich liebe dich). Eine spielerisch hinreißende Komödiantin mit hellem Sopran ist Maria Perlt (in der Hosenrolle als Ricardos Diener Oscar). Und die Wahrsagerinnen-Szene mit Zauberin Ulrica wird von Anna Agathonos mit schaurig schönem Alt nachtdunkel ausgestaltet.

Uneingeschränktes Lob gebührt Markus Huber für die Leitung am Pult: Die Einsätze für Solisten, die prunkvoll ausladenden Chöre sowie das Orchester sind punktgenau. Der orchestrale Gang ist mal von tänzerischem Elan, mal von schweren Momenten und dramatischen Ausbrüchen bestimmt. Man hätte musikalisch kaum mehr aus den Pforzheimer Akteuren herausholen können. Mit großem Beifall revanchierte sich das begeisterte Premieren-Publikum.