Foto: Katrin Huke,Ramsès Alfa und Thomas Fritz Jung in "Die toten Tiere" am Theater Konstanz. © Bjørn Jansen
Text:Elisabeth Maier, am 21. Januar 2013
Zwei Gutmenschen nimmt die Autorin Eva Rottmann in ihrem Stück „Die toten Tiere“ ins Visier. Mit feinem Gespür für die Tiefenschichten der Sprache deckt die viel gefragte Nachwuchsdramatikerin, die in Zürich lebt, rassistische Unter-töne auf, die sich in das Bewusstsein des getrennt lebenden Paares Veit und He-len fressen. Die Uraufführung des Auftragswerks am Stadttheater Konstanz trifft mitten ins Herz jener Generation, die ihr Gewissen mit fiktiven Patenkindern aus der Dritten Welt und mit ein paar Geldscheinen für Hilfsprojekte betäubt. Regis-seur Oliver Vorwerk meistert über weite Strecken den Spagat zwischen Tragik und Komik, den die Autorin so virtuos beherrscht.
Die Idee für das Stück reichte Rottmann zunächst beim Dramatikerwettbewerb der Theater Konstanz und St. Gallen ein. Obwohl sie nicht siegte, entschied sich die Bühne am Bodensee dafür, „Die toten Tiere“ zu inszenieren. In der intimen Werkstatt setzt Vorwerks Regie ganz auf die jugendlich-frische Dynamik, die Rottmanns ebenso klare wie griffige Theatersprache prägt. Mit den Theater- und Filmmusikern Jörg Wockenfuß und Jan Beyer siedelt er das sinnliche Kammer-spiel in einer fiebrig-heißen Klanglandschaft an. Eines Tages bringt Helen, die Katrin Huke als frustrierte Angestellte porträtiert, einen Jungen von der Straße mit in ihre Designerwohnung. Die Haustür setzt Bühnenbildnerin Cornelia Brückner mit dem Kühlschrank gleich. Da herrscht Kälte. Ein brauner Wollfus-selteppich bedeckt das Nest, das es eigentlich nicht gibt. Dass der togolesische Schauspieler Ramses Alfa das erwachsene Findelkind verkörpert, akzentuiert die politische Dimension.
Mit ihrem ehemaligen Partner, dem von seiner neuen Flamme zum Yuppie und zum Veganer umgemodelten Veit, träumt sich Helen in ein Familienidyll hinein, hinter dem nackter Hass die Zähne fletscht. Thomas Fritz Jung, der die komi-schen Züge seiner Figur lustvoll auskostet, kann ihren Ego-Trip nicht bremsen. Virtuos jongliert Katrin Huke mit den niedergehaltenen Sehnsüchten und den geplatzten Träumen ihrer Figur. Sensibel arbeitet sie den Hass heraus, der ihr Handeln bestimmt. Mit beredtem Lächeln lässt Ramses Alfa als Junge die dürf-tig verschleierten Demütigungen über sich ergehen. Klug flicht Vorwerks Regie eine Traumebene ein, in der die erotische Dimension sichtbar wird. Zart tastet sich Ramses Alfa in die fremde Traumwelt Helens und Veits hinein. Aber er kann sie nicht erreichen. Am Ende steht die Einsamkeit.
Vorwerks kluges Regiekonzept wird nur dann verwässert, wenn er den dichten Text zu stark ins boulevardeske Ehegeplänkel verrutschen lässt. Da streiten He-len und Veit deutlich zu lang über sportliche Herrenschuhe oder über die soziale Komponente des Kuchenbackens. Das Publikum lacht schallend und schiebt die grob daherredenden Figuren weit von sich weg. Dabei liegt Rottmanns Stärke gerade darin, beide Ebenen zu verknüpfen und den schleichenden Rassismus in der wohl formulierten Sprache des Alltags aufzuspüren.