"Die Schafinsel" am Pfalztheater Kaiserslautern

Mit Nori ist nicht zu spaßen

Nina Büttner: Schafinsel

Theater:Pfalztheater, Premiere:22.03.2013 (UA)Regie:Philipp Preuss

Das macht sie ziemlich gut: jung, stolz, schön steht sie da. In silbernen Stiletto-Stiefeln, kurzem Rock und bauchfreiem Top lockt sie mit herrlichem Schmollmund die Theatergänger beim Einlass, geht neben ihnen her, sucht ihre Aufmerksamkeit. Annalena Loretta Müller als Nutte Nori gurrt, sirrt und wenn das alles nicht hilft, zischelt sie auch noch böse. Die verblüfften Herren, darunter der Schauspieldirektor des Theaters, der ehemalige Kultureferent von Kaiserslautern oder Pfalztheater-Intendant Urs Häberli reagieren je nach Gemüt, mal kecker, mal verschämter auf die direkte Anmache. Das Publikum jedenfalls ist gewarnt: Mit Nori ist nicht zu spaßen, das ist bei aller Heiterkeit schnell klar.

Unterschichts-Prekariat trifft auf Mittelschicht in Nina Büttners „Schafinsel“. Das mit dem Else-Lasker-Schüler-Stückepreis 2012 ausgezeichnete Drama hatte jetzt in Kaiserslautern in der Regie und Ausstattung von Philipp Preuss seine gelungene Uraufführung. Schon Büttners Text spielt mit den Klischees vom prolligen Zuhälter und seinem schönen Mädchen, der versoffenen Mutter und dem stotternden, aber liebenswürdig-schüchternen Abiturienten Henning sowie dessen ehrpusseliger Mutter. Lyrische Passagen prallen auf Prolo-Sprech, Klischees auf Wahrhaftiges. Die Inszenierung schlägt daraus Funken: Wenn Nori sich eine Zigarette anzündet, dann macht sie es wie die Kinder, sie tut so als ob. Wenn Toni sie wieder mal prügelt, dann stehen sie weit auseinander und am Bühnenrand klatschen die anderen Schauspieler mit jedem Schlag in die Hände. Haben die beiden Sex miteinander, läuft das ähnlich drastisch ab. Sie sitzt mit gespreizten Beinen auf der Sofalehne, er ganz hinten im Raum auf einem Stuhl. Sie stöhnt und juchzt in den schönsten Tonlagen, er müht sich redlich ab. Theater ausgestellt als Theater: Muss Mutter Palm sich übergeben, kippt sie am Bühnenrand Wasser von einem Eimer in den anderen. Das ist so verblüffend einfach wie akustisch überzeugend. Ist Noris Mutter wieder mal so betrunken, dass sie kaum mehr gehen kann, wird das zur Slapstick-Nummer à la Herbert Fritsch. Der Abend hat die Lacher auf seiner Seite. Und dennoch stimmen die zarteren Tonlagen: Zunächst traut sich keiner im Zuschauersaal, über Hennings Stottern, auch das ausgestellt bis an die Schmerzgrenze, zu lachen. Denn der schüchterne Abiturient wird für Nori zur Projektionsfigur für eine gemeinsame Flucht nach Irland, auf die „Schafinsel“. Das ausgerechnet er zum Mörder an seiner Mutter wird, ist eine böse Pointe der Autorin. In Szene gesetzt als wilder Lauf Hennings mit erst einem, dann zwei Stühlen um die Spielfläche herum. Der ohrenbetäubende Krach der schleifenden Stuhlbeine ist kaum auszuhalten.

Auf der Werkstattbühne des Pfalztheaters ist mit glänzend aufgelegtem Ensemble ein kurzweiliger Theaterabend zu erleben. Marina Matthias und Susanne Ruppik liefern als alternde, absturzgefährdete Mütter gelungene Kabinettstücke. Und auch die beiden Jungs (Markus Penne, Daniel Mutlu) wandern sicher auf dem schmalen Grat zwischen Abziehbild und Mitmensch. Eine Tragikomödie, herrlich albern, dabei doch poetisch und berührend. Eine Uraufführung, wie sie sich die Autorin eigentlich nur träumen kann.