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Metzelnde Klassik

Giuseppe Verdi: Macbeth

Theater:Staatstheater Nürnberg, Premiere:05.03.2011Regie:Georg SchmiedleitnerMusikalische Leitung:Guido Johannes Rumstadt

Man kann auf einen Skandal hoffen oder ihn sicherheitshalber selber inszenieren. Georg Schmiedleitner, der zwischen Wien und Hamburg das Schauspiel aufmischt, hatte bei seiner zweiten Opern-Inszenierung, Giuseppe Verdis „Macbeth“ in Nürnberg, den ungewöhnlichen Einfall, zur Ouvertüre fünf Jungs Fußball spielen zu lassen. Eine Horde keifender Damen im Parkett sprangen protestierend mit dem Abonnenten-Standardruf „Was soll denn das?“ von ihren Plätzen auf. Kein Grund zur Intendantenpanik, es war der premierenfein gekleidete Frauen-Chor, der mit Handtäschchen-Bewaffnung sogleich die Rollen der lauernden Hexen im einsetzenden Gemetzel übernahm.

Des Regisseurs Psycho-Blick lenkt auf die Unfruchtbarkeit des Titel-Paares, das mit Baby-Puppen und Original-Kids bis in die Albträume gepeinigt wird: Kinder an die Macht des Schicksals. Bühnenbildner Harald Thor findet ein starkes Bild für den steilen Aufstieg des überforderten Karrieristen: Er klappt auf leerer, für Blut und Wasser als feuchtgebiettauglich präparierten Bühne drei dicke Wände hoch, und schon ist Macbeth eingebunkert in der Illusion der Macht. Während ihn seine eiserne Lady im Babydoll anfeuert, waren die Hexen beim Einkauf im Baumarkt – zum Choreinsatz wuchten sie zentnerschwere Plastiksäcke voller Garten-Humus herein und streuen den Inhalt als „Mutter Erde“-Basis, auf der alle Schrecken wuchern können.

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In der detailfreudigen Inszenierung ist die metzelnde Klassik in einer Ahnung von Gegenwart positioniert. Ein „Tag des Stolzes“ wird da vom zunächst siegestrunkenen Volk ausgerufen, wenig später aus gleichem Mund „Strafe“ für den eben gefeierten Helden gefordert und etwas überraschend taucht in den Übertiteln das Wort „Schurkenstaat“ auf. Mord kommt hier aus gefühllos geschäftsmäßiger Konsequenz, das Jammerbild des Selbstmitleids lässt dem gekrönten Totschläger (Mikolaj Zalasinski punktet mit seinem Charakter-Porträt aus Spiel und Stimme, obwohl er der Neigung zum Bibber-Pathos oft nachgibt) keine Rechtfertigungs-Chance. Lisa Houben spielt die Schrittmacher-Lady mit der Eleganz eines tänzelnden Monsters, singt vor allem die lyrischen Teile der Partie mit inbrünstiger Bannkraft. Der Chor – der weitere „Hauptdarsteller“ – lotet die Dramatik noch besser aus.

Mehr als die Regie, die aus vielen guten Einzelheiten den Durchbruch zum Tableau überwältigender Opern-Emotion nur halbwegs hinkriegt, überrascht der Dirigent. Guido Johannes Rumstadt umfasst mit den Philharmonikern die ganze Assoziationsweite von Verdis Klang zwischen Splatter-Soundtrack, Revue-Groteske und Melodram-Poesie. Szenennah und sängerfreundlich wie selten wird das musiziert. Zum Schluss, dem die Aufführung das Triumph-Finale aus guten Gründen verweigert, kommt noch mal eines der Kinder, die schon als reale Kicker und Königs-Zwerge für Nachtgedanken zu sehen waren. Der überlebende Junge des gemeuchelten Banquo schreitet mit Kopfhörer rhythmisch zuckend über alle Blut-Opfer hinweg – er hat Verdi im Walkman, aber nichts begriffen. Das Schicksal wartet guter Dinge auf die nächste Generation.