Der Verlauf der Pandemie verhinderte zweimal eine Theaterpremiere, so dass sich FUX gemeinsam mit dem Theater schließlich zu einer Komplettverfilmung entschloss. Dadurch ging zweifellos eine wichtige Ausdrucksebene verloren. Aber es blieben noch genug übrig.
Wenn man die Vorgeschichte kennt, hat man Erwartungen in sich geweckt. Diese unterläuft FUX komplett. Die ersten 80 Minuten sind eine Art Making of der folgenden 40 Minuten, die einerseits den Entstehungsprozess dieser speziellen Produktion als auch den generellen Produktionsprozess am Theater auf originellste Weise widerspiegeln. Und spiegeln und spiegeln. Wir befinden uns am Theater Oberhausen, das das „Theaterkollektiv Panorama“ engagiert hat, um einen Umsatzhit zu produzieren, was Janett, Maren und Bernd schon in vielen Städten getan haben, indem sie tun, was FUX in Oberhausen tut. Um die Besonderheit zu unterstreichen, hat das Theater Dokumentarfilmer beauftragt, die Proben zu begleiten – und zwar FUX! Die interviewen die drei Performer, begleiten das Casting, bei dem, anders als im „echten“ Projekt die Laiendarsteller Cordula, Rocco und Frank dazukommen und stellen die völlig absurde Band „Nasse Asche“ vor. Es gibt Annäherungen und Konflikte, Unregelmäßigkeiten und Irritationen, Eitelkeiten und Neurosen, schließlich eine Art Ermächtigung des „Ensembles“ gegenüber dem Filmteam.
Das alles ist erstaunlich cool und treffsicher, vor allem aber lebendig inszeniert, gefilmt und gespielt. Die Geschichten stimmen, die Figuren sind so leicht übertrieben gestaltet, dass man noch gerne mit ihnen geht und bei ihrem nie lauten Spiel mit nahezu allen denkbaren heutigen Theaterklischees lustvoll – und manchmal leicht angeekelt – zuschaut. Dabei wird das Theater, werden Bühne und Backstagebereich als Schauplatz geradezu liebevoll in Szene gesetzt. Es gibt reizvolle, nie zu aufdringliche Verfremdungselemente wie die bunten Perücken oder Michelangelos David als Pappkamerad, der fast immer irgendwo im Bild rumsteht, einmal auch mit abgeschlagenem Kopf. Vor allem überzeugen die Schauspieler. Ronja Oppelt (Maren), Shari Asha Crosson (Janett), Torsten Bauer (Bernd), Christian Bayer (Frank), Anna Polke (Cordula) und Henry Morales (Rocco) gehen mit der ständigen Nähe zur Kamera glänzend um, machen nie zu viel und bleiben doch theatralisch, künstlich. Wenn sich der Schauplatz in die Stadt verlagert (zur Befragung der Bevölkerung oder zum Feierabendgespräch am Büdchen) oder in die Öffentlichkeit (Pressekonferenz, zwei gelungene Auftritte von Intendant Florian Fiedler), wird immer vorgezeigt, wie filmisch Illusionen erzeugt werden. Und dennoch funktionieren sie.
Und dann endlich kommt sie, die noch nicht dagewesene Komödienvermengung von „From Dusk Till Dawn“ und „Rocky Horror Show“. Sie fängt klein an und bleibt klein, filmräumlich gedacht. Aber die Erzählung stimmt, auch im Vorzeigen der Mittel. Die von Nils Weishaupt, Timo Kühn und Jan Arlt erdachten und eingespielten Songs sind stimmig und wirkungsstark und im Ensemble wird hervorragend und – sehr wichtig! – unprätentiös gesungen. Und die Bilder sind exquisit, besonders die Animationen zu Beginn und der Schnitt von der psychedelischen Kneipe mit den lustigen Vampirfratzen in den Greenscreen-Raum, in dem es außer einer grünen Tür und einer stilisierten grünen Kaktee – wir sind ja in Mexico! – nur Grün gibt.
Tolles Ding also. Ich habe mehrfach laut gelacht, alleine vor meinem Computerbildschirm. Und war begeistert davon, wie hier der Medientransfer funktioniert, dass ich einen nicht nur ästhetisch attraktiven Film zu sehen bekomme, in dem das Theater lebendig zu Wort kommt. Gleichsam als Zugabe stellt FUX relevante Fragen: Kann man es schaffen, dass man Stücke auf den Spielplan setzt, die wirklich für viel mehr Menschen in einer Stadt interessant sind als die, die üblicherweise ins Theater kommen? Und würden die dann auch kommen?
Es wäre wirklich interessant, zu wissen, wie viele Oberhausener sich diesen Stream zu Gemüte geführt haben!
Bis zum 31. Dezember kann „From Horror Till Oberhausen hier kostenfrei gestreamt werden.