Auf eine direkte Parallele indes legt es Kosky in seiner Inszenierung vordergründig nicht an. Schließlich gilt es, das Operettenhafte auch der militärischen Rahmenhandlung 1905 im russisch-japanischen Krieg zu betonen: Die Absurdität aller Kriege dieser Welt und ihrer Akteure, der Soldaten, ist bekanntlich ein Motor für viele Operetten seit Offenbach. Doch die Grausamkeit dieses Krieges, der gerade wieder aufflammte, lag 1933 nicht lange genug zurück, um über Liebe und Lust zu schwadronieren – und was heraufzog, verdarb dem tschechischen Juden Weinberger nachweislich allen Spaß. Die gewohnten Gags, gerade in den Operettenproduktionen der Komischen Oper Berlin hoch im Kurs, werden aus der Haupthandlung ausgelagert: Sie werden mit viel Gaga geboten vom Bariton Dominik Köninger in der Rolle des schlitzohrigen Journalisten, der sich in seiner heimlichen Liaison zur Generalstochter (tonschön und mit aufdringlicher Operetten-Albernheit: Alma Sadé) als Meister virtuos inszenierter Stand-Up-Comedy erweist.
Dagegen geht es für den Liebhaber Ito, einen japanischen Generalstabsoffizier, nicht nur in der Liebe, sondern auch im Leben ums Ganze. Er spioniert bei den Russen, und die gehetzte Angst stellt der wunderbar seine Stimme führenden Tenor Tansel Akzeybek kompromisslos und ohne Augenzwinkern dar. Wenn man ihn und seine Angebetete Lydia Pawlowska – mit durchsschlagskräftigem und schlankem Sopran: Vera-Lotte Boecker – als Hauptpersonen begreift, dann ist diese Operette ein Vorgänger von Ernst Lubitschs Tragikomödie „Sein oder Nichtsein“ von 1942 über eine Widerstandsgruppe in Warschau. Mit „Frühlingsstürme“ haben Weinberger und sein Librettist Gustav Beer keinen bloß läppischen Konsalik-Titel gewählt. Vielmehr ist dies in einer grausamen kriegerischen Auseinandersetzung eine Losung, mit welcher der japanische Spion die russischen Linien durchbrechen könnte: ein bisschen Lubitsch, ja – und in der Sachlichkeit und Dramatik des erzählten Abenteuers mit zahlreichen Handfeuerwaffen auch ein bisschen James Bond.
Jordan de Souza in seinem präzisen Dirigat von „Frühlingsstürme“ geht mit dem großen Orchester, das nach Rekonstruktion des Werks im Graben sitzt, klanglich weit in den Bereich der großen nachromantischen Oper hinein. Ganz Operette ist wiederum das Tänzerinnenensemble in der stilechten, atemberaubend präzisen Choreographie. Im großen Liebesduett zwischen dem Spion Ito und der mondänen Lydia sind die Protagonisten umstellt von einer Welt aus Zwang und Tod, während die Tänzerinnen mit Straußenfedern auftreten. Man sieht die Elemente des offensiv Unpassenden, also der Operette – aber sie stören hier den Plot, anstatt kurzweilig zu zerstreuen. Kosky ist mit der Komischen Oper im Operettenfach so weit gekommen und diese Produktion ist so gründlich erarbeitet, dass man ihm mit diesem Kniff der Inszenierung meisterliche Absicht unterstellen darf.