Katrin Wichmann, Corinna Harfouch und Alexander Khuon in der Uraufführung von "Ihre Version des Spiels" in den Kammerspielen des DT Berlin.

Mehrzweckhallenstars

Yasmina Reza: Ihre Version des Spiels

Theater:Deutsches Theater Berlin, Premiere:02.10.2012 (UA)Regie:Stephan Kimmig

Liebhaber der Literaturszene kennen sie: die Siegeszüge der Autoren durch alle Hintertupfingens dieser Welt, wo sie aus ihrem Werk lesen und auf dem roten Teppich schreiten, den der Bürgermeister ausgerollt hat. Der Schriftsteller als bester Vermarkter des Textes – mit seiner Stimme, seiner Vita bürgt er für dessen Verkaufswert.

Wieviel Autobiografisches steckt in einem Text, wo fängt die Fiktion an? Das sind die Fragen, die Yasmina Reza in ihrem neuen Stück „Ihre Version des Spiels“ dreifach bespiegelt. In mehreren Verschachtelungen erzählt sie von zwei Autorinnen: Die öffentlichkeitsscheue Natalie Oppenheim präsentiert bei einer ihrer seltenen Lesungen in einer Mehrzweckhalle das neue Buch, das von Gabrielle handelt, die ebenfalls ihr neues Buch druckfrisch in Händen hält. Das Stück, man ahnt es, will eine Persiflage sein auf den Literaturbetrieb. Wie bei jedem Starkult wird es für den Rezipienten erst so richtig spannend, wenn sich Kunst und Privates mischen: Autor und Protagonist haben den gleichen Beruf? Eine Autobiographie!

Um den Kulturbetrieb ging es schon in Rezas Bühnenrenner „Kunst“, doch mit jenem Esprit und Sprachwitz, mit jener Pointen- und Treffsicherheit kann „Ihre Version des Spiels“ nicht mithalten. Und an den Attitüden jener Mittelschicht, auf die es „Der Gott des Gemetzels“ abgesehen hatte, zielt er ebenfalls vorbei. Während sich die früheren Stücke als punktgenaue Konversationssatiren erwiesen, wo unterm dünnen Firnis der Toleranz die Aggressionen brodeln, verhält es sich hier eher umgekehrt: Selbstbezüglich stellt das Stück die Probleme gleich in den Mittelpunkt, die ironischen Seitenhiebe flankieren das nur. Ein Insider-Text für Literaturkenner, zwar elegant und klug, durchsetzt von Zitaten und Verweisen – aber letztlich ein peripheres Phänomen.

Dass Stephan Kimmig dem Stück bei der Uraufführung nicht ganz zu vertrauen scheint, wundert wenig. Die Zuschauer spielen das Publikum der Lesung: Auf der Bühne sitzen sie und hören zu, wie eine enervierend muntere, auf ihre Hartnäckigkeit stolze Journalistin die Schriftstellerin mit Fragen zu ihrer Person foltert. Der kunstbeflissene Bibliothekar küsst derweil fast die Füße der Star-Autorin. Katrin Wichmann, Corinna Harfouch und Alexander Khuon sind als Dreigestirn hinreißend, keine Frage. Mit festgewachsenem Lächeln und der kalten Arroganz schöner junger Frauen gibt Wichmann die dreiste Journalistin. Khuon führt zunächst sein Comedy-Potential vor, nestelt an der Hornbrille, gibt gebieterisch der Lichttechnik Zeichen, um dann zart und hypersensibel der unkalkulierbaren Autorin zu erliegen. Zentrum des Schauspielerabends ist aber Corinna Harfouch. Zunächst verhuscht, verlegen, ein Lächeln andeutend, ins Leere starrend, tausendmal Tasche, Brillenetui, Notizblock zurechtrückend. Mit jeder Frage verrutscht ihr Nervenkostüm mehr, sie explodiert, knallt ihr Buch auf den Tisch, bis sie schließlich zu zynischer Gelassenheit findet. Das ist stets kontrolliert bis in die Fingerkuppe – aber große Schauspielkunst.

Den zweiten Teil will Kimmig ins Grell-Komische treiben. Die Cocktailparty artet zum Besäufnis aus, der Bibliothekar geht der Autorin an die Wäsche und kotzt sich schließlich neben dem Klavier aus, und Sven Lehmann hat als selbstverliebter Bürgermeister einen undurchsichtigen Auftritt – so wie dieser Teil ohnehin nur wie ein dünner Appendix wirkt.