Die Partitur ist außerordentlich komplex. Oft werden mehrere Schichten übereinander gelagert und gerade in den großen Ensembleszenen ist es faszinierend, wie sich diese Schichten zu einem Ganzen fügen. Das Ensemble leistet Außerordentliches, nicht zuletzt, weil Duncan Ward als Dirigent des im Ausweichquartier der Kölner Oper links von der Bühne positionierten Gürzenich-Orchesters stets alle Fäden in der Hand hält. Bretts Musik ist ohnehin schon energiegeladen und birst geradezu vor dramatischen Momenten und packenden Psychologisierungen, doch Ward führt das Orchester und auch die Sänger zu einer brillanten Ensembleleistung. Die Klanglichkeit der Musik schwankt zwischen irisierend-ätherischen Klängen und einer ruppigen Rauheit, die die heftige Dramatik des Bühnengeschehens gezielt unterstreicht, aber nicht wahllos verdoppelt. Nur der Effekt der im Raum verteilten Schlaginstrumente verpufft im Staatenhaus nahezu wirkungslos.
Das Sängerensemble ließe sich ganz pauschal als großartig abhaken, doch wäre das ein wenig ungerecht. David Butt Philipp verkörpert den zwischen Zweifel und Rachegelüsten changierenden Hamlet schauspielerisch und musikalisch glänzend, seine Geliebte Ophelia wird von Gloria Rehm mit außerordentlicher stimmlicher und szenischer Präsenz geboten. Ihre Wahnsinnsszene am Anfang des zweiten Aktes ist eine Sternstunde, wahnsinnig im besten Sinne. Aber auch alle anderen Mitglieder des Ensembles singen und spielen auf höchstem Niveau. Andrew Schroeder als König Claudius, Dalia Schaechter als Gertrude verkörpern ihre Charaktere ebenso überzeugend wie John Heuzenroeder als Polonius oder Wolfgang Stefan Schwaiger als Horatio. Das ist nicht nur stimmlich vom feinsten. Ferner wissen auch Dino Lüthy als Laertes, sowie die beiden Countertenöre Patrick Terry als Rosencrantz und Cameron Shahbazi als Guildenstern ebenso wie alle anderen Ensemblemitglieder zu überzeugen. Der Chor der Kölner Oper ebenso wie das Rheinstimmen Ensemble, das als vokale Erweiterung des Orchesters am Rand der Bühne positioniert ist und nicht ins szenische Geschehen eingreift.
Am Ende liegen drei packende Opernstunden hinter dem begeisterten Publikum. Nicht zuletzt das reduzierte, aber viele Möglichkeiten eröffnende Bühnenbild von Alain Lagarde und die Regie von Matthew Jocelyn, die das Geschehen in packende und psychologisch dichte Bilder umsetzt, sorgen für mehr Nervenkitzel als in manchem Tatort. Und mehr Tote als ebendort gibt es in diesem Drama, bei dem am Ende alle tot in die Unterwelt hinabsteigen, ohnehin. Einer muss allerdings noch besonders erwähnt werden: der Akkordeonist James Crabb, der auf der Bühne in das Geschehen integriert wird und wirklich sensationell gut (und auswendig!) spielt. Nicht nur diese Leistung war auf den Punkt gebracht, überhaupt der ganze Abend kann als gelungene moderne Vertonung des traditionsreichen Hamlet-Stoffes bezeichnet werden.