Sie, die blasse, kränkelnde Königstochter, hat das Parkettfoyer als Bühne, redet über die Frau, die sie reden ließ, auch über das, was sie vergessen wollte. Spricht sie je ihren Namen aus? Sie trägt über normaler Kleidung ein lachsfarbenes Negligé, das sie auf Geheiß der Frau gegen schwarze Kleider tauschte. Und bald werden die goldgerahmten Mimengemälde des Foyers Teil ihrer Welt. Marlene Reiter berührt mit ihrer Stimme, ihren eher kleinen Gesten – doch was mache ich bei diesem Solo für Zuschauer? Zeige ich mit Mimik meine Reaktion auf sie und spiele so mit? Oder bleibe ich in der neutralen Position, schaue „nur“ zu? Ein schmaler Grat für beide Seiten.
Als Fünfter mustert Astronom Akamas (Hans-Werner Leupelt) im 1. Rang links den Besuch, erst durch die Tür, dann bittet er herein. Er im Fürstensessel, ich auf einem Stuhl, erläutert er leutselig und hinterhältig, was einem Staat nützt, Mord und Opferung eines Mädchens gehören dazu. Das ist, nach der Begegnung mit der zarten Glauke, so ernüchternd wie erschreckend, zumal Akamas, als ich gehe, das Absperrband hinter mir fest schließt. Nun bin ich so gefangen wie Medea, zu der ich gehen soll. Zu eng scheint der niedrige Gang für Fanny Staffas Medea, Heilerin und Kindsmörderin zugleich, die in ihrem Gegenüber den ermordeten Bruder Absynthos (was nicht nur hier wie „absurd“ klingt) sieht. Sie formt dessen Gesicht an dem des Besuchers nach, lässt Wut und Trauer auch an den Wänden aus und zum ersten Mal muss ich einen Schritt zurück machen, um den Mindestabstand zu wahren. Zorn, Verlassenheit, Trauer, Ausweglosigkeit Medeas noch im Ohr, begegnet mir der zweite Astronom, Leukon. Franziskus Claus verkörpert ihn, führt die vielen Treppen hinab auf das Ende des Abends hin, warnt beiläufig „Vorsicht, Kabel“. Er verzweifelt, weil er alle und alles verstehen kann, schlittert die Treppe hinunter, ohne einen Weg für sich zu finden. Leukon würde am liebsten alle Erinnerung löschen – aber bitte nicht die an diesen besonderen Abend.