Das zweite Stück des Abends, Damian Gmürs Choreografie „Wolken die uns nicht tragen“, wird mit „one, two, three“ scharf angezählt. Harte Schlagrhythmen und Geräuschlärm lösen bei zwei Paaren, die einen scheinbar leblosen, an einem vom hochhaushohen Gasometer-Dach herab baumelnden Seil aufgehängten Menschenkörper umkreiseln, einen erregten Tanz-Tumult aus. Zu Wassergeplätscher, Heulbojen-Klängen und Stampfen, das von Schiffsmaschinen herrühren könnte (Soundtrack: Fabian Schulze), wechseln die Protagonisten von Angstzittern und spastischem Gezappel zu zerdehnten Zeitlupen-Sequenzen, vom Wiegeschritt zu verschrobenen Tanz-Figurationen, von Angstzittern zu weiten Ausfallschritt-Kombinationen. Paartänze enden in verzerrter Boden-Gymnastik. Wut und resignierende Traurigkeit liegen dicht beieinander. Und immer schwebt der am Seil Aufgehängte in ihrer Mitte. Zuweilen stoßen ihn die Akteure zu neuem Schwung, bis er kopfüber taumelt, und wirbeln dazu in wahnwitzig verschraubten Drehern. Dann sind Schüsse zu hören, die Tänzer bleiben erschöpft am Boden liegen und Meeresrauschen rollt in wuchtigen Brechern über sie hinweg.
Nach der Pause verwandelt sich das Pforzheimer Gasometer in ein versunkenes Schiff. Edan Gorlickis Choreografie „Diving The Yongala“ umspielt in facettenreicher Vielfalt von theatralischen und vertanzten Szenen eine unheimliche Havarie, die sich tatsächlich ereignet hat: Infolge eines Zyklons sank am 23. März 1911 vor der Ostküste Australiens die „SS Yongala“. Von den 122 Passagieren und Besatzungsmitgliedern wurde kein einziger geborgen oder an Land gespült. Publikum und Tänzer begegnen sich auf dem Havaristen. Während die mit Taschenlampen ausgestatteten Zuschauer aus den dunklen Gasometer-Katakomben über Stufen und Emporen des Panorama-Aussichtsturms bis zum Schiffsdeck aufsteigen, kämpfen die ertrinkenden Passagiere um ihr Leben, vereinen sich in letzten verzweifelten Liebestänzen. Auch wird das versunkene Wrack von Geisterwesen heimgesucht und von sportiven Tauchern durchstöbert. Die musikalisch von einer Collage aus den Alben „Dyad 1909“, „The Fauna and Flora of Vatican City“ und „Memoryhouse“ wirkungsmächtig beschallte Untergangsdramatik mündet in eine choralartig dröhnende Totenmesse ein, die vom Ensemble tänzerisch eindrucksvoll zelebriert wird.
Die Pforzheimer Choreografen und Ausstatter (Kostüme: Katharina Andes, Licht: Andreas Schmidt) haben sich kongenial von dem besonderen Aufführungsort inspirieren lassen, der Auszug aus dem traditionellen Theaterhaus hat sich gelohnt.