Foto: Szene aus "Freistoß" von Roberto Scafati. © Regina Brocke
Text:Ulrike Lehmann, am 24. Juli 2012
Sie haben mächtig Spaß, sie feiern sich selbst und haben ja auch allen Grund dafür. Die seit Company-Gründung von sechs auf zwölf Tänzer angewachsene Truppe um den Kanadier Eric Gauthier hat eine eingeschworene Fangemeinde in Stuttgart, füllt mühelos auch die Säle auf Gastspielreisen und hat das Prinzip „Tanz macht glücklich“ etabliert wie keine andere. Gauthier selbst ist der Star, ein Charmeur und Showmaster, der es sich nicht nehmen lässt, sein Publikum stets persönlich zu begrüßen. Nun feiern sie am Theaterhaus ihr fünfjähriges Jubiläum; das damalige Wagnis von Theaterhaus-Chef Werner Schretzmeier, eine feste Company an das soziokulturelle Zentrum zu binden, ging auf. Seit diesem Jahr gib es endlich die langersehnte Förderung von Land und Stadt, Gauthier hat seinen Vertrag um vier Jahre verlängert, alles paletti also – Grund zur „Celebration“
Der Abend ist vor allem ein Rückblick und serviert (neben kurzen Neukreationen) Highlights alter Produktionen, die in dokumentarische Film-Häppchen eingebettet sind: Das erste Vortanzen mit Gauthier, Company Coach Egon Madsen und Christian Spuck, Stationen bei den kooperierenden Bühnen in Luxemburg und München, errungene Preise und natürlich die stets zu lobende Arbeit von „Gauthier Dance Mobil“, bei dem die Company ihr getanztes Glücksversprechen in Altenheime und Schulen bringt. Man ist stolz auf das Erreichte, immer wieder steht Eric Gauthier als Moderator und Strahlemann im Mittelpunkt seines „Werkes“.
Von den real getanzten Nummern im ersten Teil amüsiert vor allem Itzik Galilis „The Sofa“, der kokette Eroberungskampf eines Machos um eine Frau (Eric Gauthier und die bezaubernde Marianne Illig in wilden Sofa-Klettereien), der sich für ihn im homoerotischen Albtraum mit vertauschten Rollen wiederholt. Auch der „Freistoß“ des Ulmer Ballettchefs Roberto Scafati, bei dem je zwei Spieler, Torwart und Schiedsrichter gängige Fußball-Gesten in Slow-Motion veräppeln, sorgt für flächendeckendes Amüsement. Ein zu knapper Ausschnitt aus dem preisgekrönten Erfolgsstück „Poppea//Poppea“ lässt ahnen, wozu die Company fähig ist. Gauthiers Neukreation „Taiko“ hingegen, ein pseudo-japanischer Trommelwirbel, ist wenig ergiebig – weder als rhythmische Bewegungsstudie noch als effektheischende Show, bei der die drei Tänzer abwechselnd in Lichtquadern fokussiert werden.
Nach der Pause folgt der gewollte Stilbruch mit Mauro Bigonzettis folkloristischem Meisterwerk „Cantata“, erweitert um eine Rolle für Madsen als verehrter Greis und Gauthier als infantiler Dorfnarr. Vier Musikerinnen der italienischen Gruppe Assurd begleiten die Tänzer zu rituellen Volkstänzen und Gesängen. Doch so sehr sich die zum Abschluss 12-köpfig auftrumpfende Gruppe auch müht: All das Wirbeln, Beißen, Schreien und Stampfen erreicht nicht die archaische Intensität des italienischen Aterballettos.
Schade ist, dass der cineastische rote Faden der ersten Hälfte im zweiten Teil keinerlei Anknüpfung mehr findet. Dennoch: der Saal tobt, Gauthier Dance hat sein Publikum gefunden.