Foto: "Der Triumph des Todes". Ulrika Strömstedt, Andreas Koch © Candy Welz
Text:Ute Grundmann, am 31. August 2015
Zwei Lagerkommandanten unterhalten sich über ihren Arbeitsalltag. Das Selektieren von Menschen, den Bedarf an Gasbüchsen je 1000 Menschen, die Büchse zu 5 Mark 40. Dabei spielen die Herren lachend Federball, springen, laufen, hechten. Das ist im Nebeneinander von Schrecken und Heiterkeit schwer auszuhalten. Doch die Inszenierung nimmt damit das Prinzip von Frederic Rzewskis „Der Triumph des Todes“ auf, das Grauen in Worten scheinbar ungerührt mit gefälliger Musik zu kombinieren. Dieses Musiktheater nach Peter Weiss‘ „Die Ermittlung“ erlebte beim Kunstfest Weimar seine deutsche Erstaufführung.
Dafür hat sich das Kunstfest einen neuen Spielort erobert: das Schießhaus, eine ehemalige Polizeischule. Im einstöckigen, quadratischen Bau findet sich eine kleiner, weißer, fast verwunschener Saal mit Stuckfries und Kronleuchter. Hier hinein hat Julia Schnittger (Bühne und Kostüme) vor vier Zuschauerreihen zwei Podeste gestellt, eines für das Amalia Quartett (Barbara Seifert, Astrid Schütte, Almut Bormann, Atsrid Müller) und den Dirigenten Martin Hoff. Das zweite Podest mit Stuhl und kleinen Lämpchen gehört den fünf Sängerdarstellern (Caterina Maier, Ulrika Strömstedt, Andreas Koch, Saya Lee, Björn Waag), die sich zum musikalischen Prolog allein und miteinander bewegen, schreiten.
Dann beginnen, jeweils durch Ab- und Aufblenden getrennt, die elf Gesänge: Von Menschen in Waggons, von den Kommandos, den gestreiften Anzügen. Das wird liedhaft auf wenigen Tönen gesungen, die Streicher geben den heiteren Hintergrund dazu. Die gut verständlichen Texte werden an die linke Wand projiziert, was leider dazu führt, dass viele dorthin statt zur Bühne schauen. Doch das ändert sich, je beklemmender das Werk des amerikanischen, 1938 geborenen und heute in Brüssel lebenden Komponisten wird. In den „Gesang vom Lager“ mischen sich Stöhnen und Schritte; der „Gesang von der Schaukel“ beginnt mit der knisternden Lautsprecherstimme einer Zeugenaussage, die dann in rhythmischen Sprechgesang übergeht. Den „Gesang vom Ende der Lili Tofler“ stimmt eine Sängerin im weißen Hochzeitskleid mit ellenlanger Schleppe an (in der sie sich am Ende verheddern wird), Rzewski läßt in diesen Klagegesang die Melodie von „Die Gedanken sind frei“ hineinklingen.
Nicht alles, was das junge Regieteam um Alexander Fahima an Bildern entwickelt hat, gelingt, aber die zweistündige Inszenierung gewinnt zunehmend an Spannung, auch an Unbehagen über den Schrecken. Denn der Gesang von der Tötung durch Phenol wird von tändelnden Streichern begleitet, höhnisches Gelächter bricht Szenen, lächelnde Sänger berichten vom Tod in der Krankenbaracke. Und für den letzten „Gesang von den Feueröfen“ marschieren die Darsteller in Gala-Uniformen auf und den Weg in die Gaskammern begleiten fast fröhliche Folktöne mit Banjo. Der gesprochene Epilog ist dann nur noch ein schauerlicher Chor des Leugnens.
Nach dem langen Schlussapplaus wurde noch eine Erklärung des Ensembles verlesen, mit der man gegen mögliche tiefe Einschnitte in die Thüringer Theaterstruktur protestierte. Laut Zeitungsberichten denkt man in der rot-roten Landesregierung unter anderem über die Schließung der Opernsparte in Weimar nach.