Foto: "Eine heikle Sache, die Seele", ein Stück von Dimitré Dinev. © Peter Scholz
Text:Ute Grundmann, am 23. November 2015
Kaum ist die Witwe aus dem Haus, tanzen die Trauergäste auf dem Tisch. Erst wird auf den Toten angestoßen, dann gegen den Tod getrunken und schließlich ist der Grund des Trinkens egal. Der bulgarische, in Österreich lebende, Autor Dimitré Dinev hat mit „Eine heikle Sache, die Seele“ eine deftige Komödie über das Sterben und den Umgang der Lebenden damit geschrieben. Herbert Olschok hat am Theater Rudolstadt die Deutsche Erstaufführung inszeniert.
Eine hübsch-häßliche Wohnung in Wien-Ottakring hat Sabine Pommerening (Bühne und Kostüme) gebaut. Über der Waschbecken- und Toilettenecke haben die Maler eine Schutzfolie zurückgelassen, in der Mitte ist eine gedeckte Tafel mit ungleichen Stühlen aufgebaut und links dahinter steht der offene Sarg bereit. Doch er ist noch leer, denn der verstorbene Nikodim (Jakob Köhn) muss erst noch mit dem Fährmann Charon (Joachim Brunner) um den Preis feilschen. Doch der, in langem Mantel und breitkrempigen Wetterhut, vor und bei ihm sind alle gleich und müssen zahlen. Das trägt ihm vom Toten die Beschimpfung als „Beamter“ ein, ehe er seinen Platz im Sarg einnimmt.
Das ist ein hübsch makabrer, leicht hintersinniger Auftakt, zu dem auch die Witwe Pavlina (Verena Blankenburg) beiträgt, die dem toten Gatten noch mal sein Lieblingsessen gekocht hat, zu dem er doch kurz noch mal aufstehen soll. Und da ist noch die Klagefrau Sladka (Carola Sigg), die sich mit munterem Mundwerk nach dem „Objekt“ ihrer Klage erkundigt.
Doch mit der Ankunft der übrigen Gäste der Totenwache ändert sich die Inszenierung. Sie alle sind Kumpel des verstorbenen Bauarbeiters Nikodim – Josef (Johannes Arpe), Bora (Markus Seidensticker, Virgil (Marcus Ostberg) und Zeko (Jochen Ganser). Erst stehen sie mit Trauerkranz und Leichenbittermiene verlegen herum, doch schnell ist man an der Tafel und bei den Schnapsgläsern, die geleert synchron auf den Tisch geknallt werden – je länger die Totenwache dauert, desto weniger synchron. Da die Witwe aus dem Weg ist, weil sie bei der Nachbarin die Kinder ins Bett bringt, fällt die Zurückhaltung schnell und es wird eine eher feucht als fröhliche Männerrunde daraus. Frauen- und sonstige Gespenstergeschichten machen die Runde, der Verstorbene wird aus dem Sarg geholt und an den Tisch gesetzt. In fahl-grünem Licht taucht Charon auf und trinkt die Schnapsflasche leer, was die aus Trance Erwachten verblüfft.
Mit all dem arbeitet Herbert Olschok den Text routiniert ab, ist aber ziemlich schnell auf eingefahrenen Gleisen unterwegs. Es hätte ja ein Fest des Lebens werden können, oder die Frage, wie man mit dem Schrecken des Todes umgeht (oder nicht). Auch die Tatsache, dass die Bauarbeiter aus Bulgarien, Serbien, Rumänien und Österreich stammen, wird hier kein Thema – außer, dass man sich mal als „Jugo“ beschimpft.
Von Seele ist hier wenig zu spüren, heikel ist gar nichts, sondern alles ziemlich offensichtlich. Bei diesem Herrenabend darf die Mülltonne nicht fehlen, der eine Stripperin (Lisa Klabunde), in einem anderen Leben Akademikerin, entsteigt und auch der Gag mit einem künstlichen Gebiß wird nicht ausgelassen. Nach knapp zwei Stunden schließlich stimmen alle, Toter und Charon inklusive, den Song „Just remember, the death is not the end“ an – auch das, wie so vieles, zu lang und zu ausgewalzt.