Foto: "In einem tiefen, dunklen Wald" am Jungen LTT in Tübingen © David Graeter/LTT
Text:Manfred Jahnke, am 2. März 2015
Wenn eine Prinzessin 18 wird, muss sie heiraten. So war es jedenfalls einmal. Aber Prinzessin Henriette-Rosalinde-Aurora ist nicht nur hochmütig, sondern auch extravagant: Sie will sich von einem Untier entführen und von einem Helden, den sie dann heiraten wird, befreien lassen. Aber verspeist werden möchte sie auch nicht, so macht man sich auf die Suche nach einem zahmen Untier, das man mit Hilfe einer Schafprobe auch findet. In einem anderen kleinen Reich muss sich Prinzessin Simplinella gegen die Geschlechtsrollenvorurteile ihrer Eltern durchsetzen. Nachdem ihre Brüder auf der Suche nach Henriette versagen, macht sie sich mit den Sachen eines Bruders heimlich auf den Weg. Gemeinsam mit dem Küchenjungen Lützel gelingt es ihr, Henriette zu befreien. Aber diese ist not amused, als sich der Held als Frau erweist. Dann zeigt es sich, dass in dem Untier ein verzauberter Prinz steckt, den Simplinella schließlich erlöst. Aber auf den Heiratsantrag geht sie erst einmal nicht ein. Erst in einem Jahr soll es ein Happy-end geben.
1999 hat Paul Maar diese mit vielen Märchenmotiven durchsetzte Geschichte als Erzählung mit den Bildern von Verena Ballhaus veröffentlicht. „In einem tiefen, dunklen Wald…“ wurde noch im gleichen Jahr vom Autor dramatisiert. 2015 nun gibt es endlich auch eine Kindermusicalfassung. Heiner Kondschak ist an seinen einstigen Wirkungsort Tübingen zurückgekehrt, wie so oft gleichzeitig als Bearbeiter-Autor, Regisseur, Komponist, Arrangeur und als Musiker auf der Bühne. Die Melodien sind eingängig, man ertappt sich dabei, wie die Füße mit dem Rhythmus mitgehen und man hat das Gefühl, die melodischen Folgen zu kennen. Vorherrschende Instrumente sind Gitarre (Heiner Kondschak) und Geige (Bernhard Mohl). Die musikalischen Arrangements mit durchaus sentimentalen Tendenzen folgen der Dramaturgie der Vorlage, an deren dramatische Fassung sich Kondschak weitgehend hält. Neben Verschlankungen der Handlungsstränge werden vor allen Dingen die epischen Erzählmomente in musikalisch arrangierte Chöre umgeformt.
Für die Uraufführung am „Jungen LTT“ hat Ilona Lenk zwei Bilderrahmen als dominierende Bühnenbildelemente gesetzt. Einer schließt die Bühne zum Zuschauerraum hin ab, davor sitzen rechts und links die beiden Musiker. Der andere Rahmen steht im Hintergrund, bespannt mit einer Leinwand für Schattenspielelemente. Dazu kommen zwei große Sessel und ein Hocker, alle auf Rollen, für die Hofszenen und vier stilisierte Bäume für den tiefen, dunklen Wald. Aktionsszenen werden mit Mitteln des Kinderspiels ausgedrückt und eher epische Passagen in Schattenspiel umgesetzt. Die Kostüme sind märchenhaft bunt. Alles ist wie geschaffen für schnelle Szenenwechsel. Wie immer setzt Kondschak in seiner Regie auf das komödiantische Spiel der Darsteller. Das vierköpfige Ensemble wechselt mit Lust ständig die Rollen. Dabei gelingt es insbesondere Magdalena Flade z.B. hinter der Arroganz ihrer Henriette auch die dahinterliegenden Emotionen sichtbar zu machen. Linda Lienhard gestaltet ihre Simplinella als aufmüpfige Göre, während Dimetrio-Giovanni Rupp seinen Küchenjungen eher tumbe Züge gibt. Rupert Hausner gelingt es in seinen Rollen auf überzeugende Weise mit seinem trockenen Humor, zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit zu balancieren – wie die gesamte Inszenierung, die die Erfolgsgeschichte des „Jungen LTT“ fortschreibt.