Foto: Franz Schrekers "Irrelohe" am Pfalztheater. Adelheid Fink (Eva), Heiko Börner (Heinrich) © Stephan Walzl
Text:Konstanze Führlbeck, am 9. März 2015
In die Tiefen des psychoanalytisch aufgeladenen Verhältnisses von Mann und Frau begibt sich Franz Schrekers Oper „Irrelohe“ aus dem Jahr 1924 in der Erstaufführung des Pfalztheaters Kaiserslautern.
Die „irre Lohe“ ist der völlig unkontrolliert ausbrechende, rauschhafte Geschlechtstrieb, der sich nur in Gewalt erfüllen kann und in Wahnsinn eskaliert. Etwa um das 30. Lebensjahr befällt er wie eine unheilbare Krankheit, ein „Fluch“ die Grafen von Irrelohe, die dann ein Mädchen aus dem Dorf vergewaltigen. Das letzte Mal ist das bei der Hochzeit der Schankwirtin Lola (Katja Boost) passiert, ihr Bräutigam Christobald (Uwe Eikötter) ließ es, entsetzt, untätig geschehen. Ihr Sohn Peter (Wieland Satter) ist der Halbbruder des jetzigen Grafen Heinrich von Irrelohe (Heiko Börner). Und die jungen Männer begehren beide die Försterstochter Eva (Adelheid Fink). Sie ist die einzige, die durch das freiwillige Bejahen ihrer Sexualität und ihre offen bekannte Liebe zu Heinrich den Fluch brechen kann. Ein dramatischer Showdown nimmt seinen Lauf.
Was wie ein mit mittelalterlicher Schauerromantik im Stil von Verdis „Troubadour“ verbrämter Psychokrimi klingt, wird in der Inszenierung von Holger Müller-Brandes am Pfalztheater eine lose Folge von Bildern voller Assoziationen auf einer offenen Bühne von Thomas Dörfler, auf der hinten das Orchester platziert ist. Trotz stimmiger Personenführung im Detail mit berührenden Momenten voll packender Dramatik bleibt in dieser szenischen Reduktion die stringente Entwicklung des Dramas mit einer konsequenten Personenregie leider oft auf der Strecke: Die Handlung wird fragmentiert und auf die Innenschau der Protagonisten konzentriert, in der sich die Regie zu verlieren droht; die Spannung wird dann in erster Linie von der Musik getragen, in der sich das Drama entfaltet.
Einen breiten Raum nimmt dabei das Verhältnis von Mann und Frau ein, vor allem das Verständnis der Frau als Objekt männlicher Projektionen und Begierden, fast schon überdeutlich veranschaulicht durch den catwalkmäßigen Auftritt junger Frauen in Modelkostümen und die Zerstückelung der Frauenkörper von Schaufensterpuppen. Dieses Schema durchbricht Eva, die selbst aus freien Stücken zu Heinrich geht – nicht zu dem Gutsherren, sondern zu dem Mann, den sie liebt. Doch um Eva zu retten, muss Heinrich seinen dem Fluch verfallenen Halbbruder Peter töten.
Neben beeindruckenden sängerisch-darstellerischen Leistungen von Heiko Börner (Graf Heinrich), Wieland Satter (Peter) und Katja Boost (Lola) fällt Adelheid Fink (Eva) leider trotz spannender Gestaltung durch einige unüberhörbare Schärfen in der Höhe etwas ab. Der unbestrittene Star des Abends ist das Orchester des Pfalztheaters: Unter dem höchst differenzierten, ungemein nuancenreichen Dirigat von Uwe Sandner zaubert es Klangmomente von berührender Subtilität und Schönheit in den oszillierenden Harmonien von Franz Schreker, lässt aber auch hochdramatische Entwicklungen dieser reich schattierten, ganz in der Tradition der Spätromantik stehenden tonalen Partitur so lebendig werden, als ob es die Musik atmen würde.