Foto: Ensemble in "Margarete Maultasch" am Landestheater Schwaben © Forster
Text:Manfred Jahnke, am 6. Oktober 2018
Von österreichischen Bekannten habe ich gehört, dass die Geschichte der Margarete Maultasch im Österreicher Schulunterricht besprochen wird. Ich kannte bis dato die Geschichte dieser Frau nicht, die im 14. Jahrhundert als Gräfin von Tirol einerseits in einer von Männern dominierten Welt ihren eigenen Platz zu finden versucht, sich andererseits aber in politischen Intrigen verstrickt – und dabei nicht nur von Männern bedrängt wird, sondern auch von der Stiefschwester. Früh, im Alter von zwölf Jahren, wird sie mit dem achtjährigen Luxemburger Johann verheiratet, der aber nie die Ehe vollzieht, so dass sie von Johanns Bruder vergewaltigt wird. Obwohl der Papst seinen Segen nicht dazu gibt, trennt sie sich von Johann und lebt mit Ludwig, dem Markgrafen von Brandenburg, zusammen, dem sie einen schwachsinnigen Sohn gebärt und sich in einer Reihe von Intrigen bewähren muss. Am Ende steht sie mit leeren Händen da, der Mann ist tot, der Sohn ermordet, Tirol an die Habsburger gefallen und das, was man Liebe nennt, hat sie vielleicht nur kurz einmal mit dem Grafen Arco erlebt, den sie aber auch ausliefert. Ein wenig wird man an das Leiden der Elisabeth erinnert, wie es Schiller in seiner „Maria Stuart“ vorführt.
Christoph Nußbaumeder hat daraus eine Geschichte über die Macht gebaut, darüber, was sie dieser Frau an Gewalt antut, aber auch, was sie mit Frauen macht, die diese männlich dominierte Macht sich zu eigen zu machen wollen. Elisabeth Hütter spielt diese Frau zunächst mit großem Elan, selbstbewusst, zugleich nach ihrer eigenen Identität suchend. Dabei imitiert sie Männerverhalten, um es gleich darauf wieder zu brechen. Sie sehnt sich nach Liebe, um immer von neuem getäuscht zu werden. Elisabeth Hütter spielt diese Brüche großartig aus. Eigentlich stehen in diesem Stück, das von den bösen Machtspielen à la Historienstück von Shakespeare erzählt, Frauen mit ihrer Liebessehnsucht im Zentrum. Nicht nur Margarete, die, weil sie Emanzipation für sich einfordert und deshalb von ihren Zeitgenossen als „Hure“ beschimpft wird, sondern auch ihre Stiefschwester Julia, von Regina Vogel zwischen falscher Freundlichkeit und Wahnsinn changierend groß ausgespielt, und deren Mutter, von Claudia Frost vornehm verhärmt (die verlassene Maîtresse) dargestellt, spielen sich ins Zentrum. Ihre Figuren haben klare Konturen, während es beim Männerensemble schwerfällt, die Figuren zu greifen – auch weil hier meist in Mehrfachbesetzungen gespielt wird. Am klarsten sticht da noch André Stuchlik als Abt hervor, während bei David Lau, Tobias Loth, Niklas Maienschein, Jens Schnarre und Jan Arne Looss die verschiedenen Figuren ineinander verschwimmen. Dieser Eindruck hat aber nicht mit darstellerischen Qualitäten zu tun, sondern ist konzeptionell bedingt: Hier ringt eine Frau um eine Position, die Männern vorbehalten ist, die aber in dieser Position austauschbar sind.