Was großartig gelingt, ist die Hellsichtigkeit von Weskers Parabel bloßzulegen. Hier zeigt einer vor fast 60 Jahren bereits einen Blick auf eine erbarmungslos durchorganisierte Gesellschaft, in der sich Toleranz und Solidarität zusehends minimieren. Lensing hat da an vielen entscheidenden Stellen klug zugespitzt, wobei er das Plakative nicht scheut. Da gibt es den unverbesselichen Nazi, den Antisemiten, das Ablehnen Andersdenkender, die ganz normale Ausländerfeindlichkeit, den kleinbürgerlich grundierten Eskapismus, die krankhaft selbstbezogene Profitgier, die existenzielle Überforderung oder den Wunsch, aus dem eigenen Leben auszubrechen, ohne die Verantwortung dafür tragen zu müssen. Willkommen im Jahr 2020!
Dass diese „Küche“ trotzdem kein Genuss ist, zumindest kein reiner, liegt an der zu Beginn angesprochenen, durch den Medientransfer verursachten Reizarmut. Man hat die Einheitsküche mitsamt ihrer tempogeladenen Vielstimmigkeit doch schnell über, obwohl nicht verschwiegen werden darf, dass es echte Höhepunkte gibt wie der Schlussmonolog des Restaurantbesitzers (Benno Boudgoust) oder das atemberaubend genaue und wilde Voll-Ensemble-Durcheinander vor der Pause. Da ist man plötzlich wieder gefesselt.
„Die Küche“ ist der dritte Streaming-Abend des Theaters der Klänge. Jeweils von Donnerstag bis Sonntag lässt das Ensemble streamend seine Karriere von Anfang an Revue passieren,ein Stück die Woche. In der 27. Woche der Corona-Krise, die es hoffentlich nicht geben wird, wäre dann mit „das Lackballett“ die aktuelle Produktion an der Reihe. Das ungewöhnliche Angebot ist mit einer Bitte um Spenden verknüpft. 5000 Euro möchte die Gruppe erzielen, um halbwegs ungeschoren aus der zeit der Untätigkeit wieder herauszukommen. Es ist zu wünschen, dass das klappt, auch wenn Theater, auch und gerade das des Theaters der Klänge letztlich doch nur auf der Bühne reüssiert.