2014 outete sich der Fußballer Thomas Hitzlsperger, sprach als erster prominenter Profispieler offen über seine Homosexualität. Richters Projekt war das Stück der Stunde. Nun aber, aus der zeitlichen und räumlichen Distanz betrachtet, scheint die lose Szenenfolge über weite Strecken eher unterkomplex. Der Abend gibt sich selbst thematische Überschriften wie „Intimität und Sprache“ oder „Was uns davon abhält zu sein, wer wir sind“ – und nicht nur deswegen fühlt man sich zeitweise wie in einem Volkshochschulkurs. Das Ganze wirkt wie ein Brainstorming zum Thema „Schwulsein heute“, eine zerfledderte Nummern-Revue. Es gibt wunderschöne Songs und berührende Szenen. Da ist die erste Liebe, dieses singende Mädchen in der Fußgängerzone, von dem Radenković jahrelang träumte, bis er realisierte, dass es Paddy Kelly von der Kelly Family war. Niels Bormann erzählt, warum er „ungeeignet ist für Zweier-Beziehungen“. Weil sich Frustrationen nämlich in einer Gruppe besser verteilen können.
Irgendwann kippt die Stimmung, aus den privaten Geschichten werden politische. Thomas Wodianka steigert sich gegen Ende in einen etwa 20-minütigen Hass-Monolog, der sich gegen alles und alle richtet, die Schwule diskriminieren. Vor allem Putin, „der Russe“, hat es ihm da angetan, aber auch Alexander Dobrindt, Erika Steinbach und Ilse Aigner. Was da alles aus ihm herausbricht, hat mit Sachlichkeit wenig zu tun. Aus Hass erwächst neuer Hass.
Zwischen „50 Shades of Grey“ und Analstöpseln handelt Richter mit seinem Ensemble das Leben mittelalter Hauptstädter ab, verfängt sich dabei aber immer wieder in Klischees. Am Ende steht, wie könnte es anders sein, die Ansprache an den alten, kranken Vater: „Du bist der Mann, von dem ich immer geliebt werden wollte.“ Nein, dieser Abend hat definitiv keine Angst vor Pathos, leider aber auch keine vor Plattheit.