Elfriede Jelineks "Die Schutzbefohlenen" in Oberhausen

LIVE-GESPRÄCH: Jelinek als Kammerspiel

Elfried Jelinek: Die Schutzbefohlenen

Theater:Theater Oberhausen, Premiere:27.03.2015Regie:Peter Carp

Drei Kritiker der DEUTSCHEN BÜHNE tauschten sich während der Premiere über WhatsApp aus. Lesen Sie hier das Ergebnis der ersten offiziellen WhatsApp-Kritik:

–       Text, Lärm, Licht

–       Dunkel. Wind. Meeresgeräusche. Motoren. Ein Suchscheinwerfer

–       Sehr atmosphärisch. Erst mal keine Textflächen

–       Ja, Containerschiff-Atmosphäre

–       Aber zuerst technisch, nicht menschlich

–       Dunkle Gestalten. Theater noir

–       Mehr Lärm

–       Wasser? Fluglärm?

–       Wasser. Und war da nicht ne Möwe eben (Hafen)?

–       Vorne schimmert bürgerlicher Raum durch

–       Vier schwarz gewandete Sprecher

–       Schutzflehende sind also erstmal abwesend

–       Bürgerliche Diskussion über seltsame, fremde Wesen

–       Sehr gedämpft

–       Was machen wir mit ihnen?

–       Handy auch auf der Bühne

–       Sprechen über Video mit Geköpftem

–       Zynismus oder Moralpredigt? Schöne Gratwanderung bisher

–       Eine Gruppe (Bürgerliche), aber mit verschiedenen Perspektiven

–       Mich erreicht der Sprachwitz und -biss nicht

–       Wegen WhatsApp?

–       Der ältere Schauspieler (Hartmut Stanke) kann für mich bisher mit der Sprache am besten umgehen

–       Auch räumlich aufgebrochenes Kammerspiel

–       Das ist ein schöner Ansatz

–       Kaffeekränzchen

–       Tee

–       Das sind Leute wie wir. Erkenntnis ohne Folgen.

–       Und sind diese Sprecher Menschen wie wir?

–       Schon wie wir, ja.

–       Finde schon. Erste laute Schmunzler im Publikum

–       “Die Freiheit brauchen wir für die Freizeit” – das sitzt, wenn auch leise gesprochen

–       Wir sind also auch nicht frei?

–       …von Vorurteilen

–       Neue Geräusche

–       Eine Pause. Geräusche einer fernen Menschenmenge. Vielleicht nicht ganz so fern

–       Man neigt so dazu, nur Stichworte zu schreiben

–       Stimmt. Sie reden wieder. Eine Teegesellschaft? Wie bei Alice im Wunderland

–       Jelinek verbindet auch Stichworte

–       Und zeigt so die Entfremdung der Menschen voneinander

–       Grandioser Text über „die Fremden“

–       Ich hab den Eindruck, die Schauspieler haben sich warmgespielt

–       Sprache läuft besser

–       Ja

–       Und wieder Meereswellensound

–       Und klassische Harmonien

–       Kleiner Umbau

–       Operngesang

–       Opernhafte Großbürgergestaltem

–       Erinnert an Zeit nach dem Erstem Weltkrieg (Adel kann sich nicht mehr so abheben von der restlichen Gesellschaft)

–       Angst vor Bedeutungsverlust

–       Mehr Diskrepanz zwischen Optik und Inhalt geht kaum. Böse

–       Oh ja

–       Würde ich aber nicht psychologisch deuten

–       Geht halt um willkommene Fremde: Netrebko

–       Netrebko-Orgasmus. Solche Fremde wollen wir

–       AfD-mäßig: Gute Fremde – Schlechte Fremde

–       Da: Eindringlinge

–       Kakophonie als Chor

–       Mit kakophoner Toncollage und Kapuzenpullis

–       Bislang nur Statisten

–       Sie stehen jetzt aber da und sind nicht mehr wegzudenken – realer

–       Trotzdem eine Art unsichtbare Wand zwischen Eindringlingen und der bürgerlichen Gruppe

–       Die reden einfach weiter, als ob die Fremden nicht da wären

–       Der junge Mann ist ein schönes Arsch

–       Oder alle

–       Erste Berührung

–       Werden fortgeschickt

–       Abschiebung

–       Gehen stumm von der Bühne

–       Auch ein sehr österreichischer Text

–       Die Dimension und Textpartien der antiken Tragödie fehlt in dieser Inszenierung

–       Haben wir das schon festgehalten: Gruppe besetzt aus zwei meinungstarken Männern, zwei eher beschreibenden Frauen

–       Jazziger Übergang

–       Vier Kapuzenpullimämner um großen Leuchter

–       Wieder weg

–       Schauspieler back in black nach eher überflüssiger Umbaupause

–       In der Pause wären Fremde fast zu Wort gekommen. Fand ich gut

–       Jetzt hängt es ein bisschen. Wiederholungen

–       Aber jetzt finde ich es auch eher wiederholt

–       „Ich hab alles schon gesagt, aber ihr habt immer noch nichts gehört“ – großartig, also die Sprache

–       Jetzt werden die Wiederholungen zum Thema. Geschickt

–       Eine stille Jelinek Aufführung

–       Manchmal zu moderat?

–       Bleiben auch wir (Publikum) in dieser Position, dass wir nur über die Schutzflehenden sprechen können (immer wieder), aber näher kommen sie nicht?

–       „Ihr habt ja nichts zu befürchten.“ Sie sind halt gar nicht da

–       Jetzt kommen sie nochmal – angespült

–       Und lesen biographische Texte über ihre Flucht in ihrer Heimatsprache vor

–       Licht im Publikum

–       Ein Schauspieler liest Übersetzung vor

–       Bittere Selbstanzeige der bürgerlichen Gesellschaft. Die Flüchtlinge haben das letzte Wort. Überzeugendes 80-minütiges Jelinek-Konzentrat. Unspektakulär, aber inhaltlich präzise.

–       Am überzeugendsten bleibt Jelineks Sprache, der Text

–       Moderater Beifall , Bravos kommen auf    

 

Hier der Link zu unserer Uraufführungskritik des Stücks: http://www.die-deutsche-buehne.de/Kritiken/Schauspiel/Elfriede+Jelinek+Die+Schutzbefohlenen/Differenziert+emotional