Szene aus "Alles ist aus, aber wir haben ja uns"

Liebe unter Wasser

Bonn Park und Ben Roessler: Alles ist aus, aber wir haben ja uns (Unterwasser)

Theater:Münchner Volkstheater, Premiere:27.01.2023 (UA)Regie:Bonn ParkMusikalische Leitung:Sonja LachenmayKomponist(in):Ben Roessler

Man kennt es aus dem Kino. Die Versuchung ist groß auf der Erfolgswelle zu reiten und einem Publikumshit möglichst rasch eine Fortsetzung hinterherzujagen, die erneut die Kasse klingeln lassen soll. Das dachte sich wohl auch das Münchner Volkstheater, wo Autor Bonn Park und Komponist Ben Roessler in der vergangenen Spielzeit ihre in jeder Hinsicht schräge High School-Oper „Gymnasium“ herausgebracht hatten und nun mit „Alles ist aus, aber wir haben ja uns (Unterwasser)“ nachlegen durften.

Im Gegensatz zum etwas sperrig geratenen Titel, ist das Stück, das sich dahinter verbirgt, eine erfreulich kompakte Angelegenheit, die nach etwas schleppendem Beginn bald an Fahrt aufnimmt. Natürlich mit vertrauten Versatzstücken, aber stets auf der Suche nach einer eigenen Identität. Wie schon anlässlich des Volkstheater-Erstlings, für den sich das Duo aus den düsteren Ausprägungen des Teenie-High School-Dramas bediente, hat man sich in „Unterwasser“ ein weiteres von Klischees nicht unbelastetes Film-Genre vorgenommen, das liebevoll durch den Fleischwolf gedreht wird. Diesmal sind es die klassischen Romcoms – romantische Komödien, bei denen es sich im Kino immer wieder wohlig mit der tagesaktuellen Protagonistin hoffen und leiden lässt, bis am Ende doch die „wahre Liebe“ triumphiert.

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In revuehaft aneinandergereihten Episoden dekliniert sich der auch selbst Regie führende Bonn Park hierfür durch die klassischen Pärchen-Konstellationen. Da gibt es die seit Ewigkeiten miteinander verheirateten komischen Alten, die ihre Beziehung aufzufrischen versuchen. Aber ebenso die seit der Kindheit ineinander Verliebten, die sich nie ihre Gefühle gestehen konnten. Nicht zu vergessen die Liebe auf den ersten Blick.

Fantasiereiche Unterwasser-Welt

Doch spielt sich dies ausnahmsweise mal nicht in einem Vorort von Seattle, unter der Sonne Griechenlands oder in Rosemunde Pilchers Heimat Cornwall ab. Stattdessen entführt das Duo Park/Roessler das Publikum in ein märchenhaftes Unterwasserreich, das von Meerjungfrauen, Seepferdchen und einem hoch musikalischen Oktopus bevölkert wird. Ähnlichkeiten mit Disneys Arielle sind dabei auch ohne Disclaimer im Abspann selbstredend unbeabsichtigt und reiner Zufall.

Schon nach dem Öffnen des Vorhangs dürfen sich in der Eröffnungsnummer drei der von Leonie Falke phantasiereich kostümierten Tiefseebewohnerinnen zu sanft wogender Musik venusgleich in ihren Muscheln räkeln. Eine Szene, die an Hollywoods Badenixe Esther Williams denken lässt. Dann rollt eine doppelte Showtreppe herein, mit der Bühnenbildnerin Laura Kirst erneut die goldene Ära der Filmmusicals liebevoll zitiert.

Die Kompositionen von Ben Roessler fungieren dabei meist als dezenter Soundteppich im Hintergrund. Gesungen wird angepasst an die individuellen Stärken der Schauspieler und Schauspielerinnen diesmal meist eher im Ensemble, was dem überdrehten Spektakel guttut. Und selbst, wenn der schräge Humor so manch pathetische Szene schnell wieder zurück auf den Erdboden – besser gesagt auf den Meeresgrund holt – gibt es fürs Herz auch immer wieder gefühlvolle, in sich gekehrte Momente.

So dürfen einerseits Anne Stein und Max Poerting in einer wilden Textcollage als Radiosprecher ihre Kalauer treffsicher abfeuern. Aber daneben gibt es ebenso Raum für das anrührende Aufeinandertreffen zwischen Vincent Sauer in der Rolle der leicht überforderten Premierministerin Hugh und Henriette Nagels abgeklärter Kaiserin Li, von Park als poetisches Schattentheater inszeniert.

Fast übersehen könnte man dank der kunterbunten Verpackung die subtilen Verweise auf Ausbeutung und Umweltzerstörung, die von den Figuren der Handlung ähnlich konsequent wegignoriert werden wie private Probleme, ehe am Ende alle zu den Klängen des Party-Hits „We’re going to Ibiza“ in die Urlaubsidylle flüchten. Ein doppelbödiges „Happy End“, dessen Boshaftigkeit mit jeder Wiederholung des stupiden Refrains umso deutlicher zutage tritt.