Vor einem reichlichen halben Jahr angefragt, übernahmen Roland Schwab (Regie) und Cornelius Meister (Dirigent) den Auftrag. Als die Hiobsbotschaft kam, dass Ring-Dirigent Pietari Inkinen erkrankt ausfällt, wechselte Cornelius Meister zum Ring. Für „Tristan” holte man Markus Poschner ins Boot. Gerade mal zwei Proben mit dem Orchester blieben ihm bis zur Premiere. Wobei dieses Orchester natürlich schon per Definition einen „Tristan” drauf hat.
Sänger mit Festspielniveau
Poschner wurde für seine mutige Flexibilität, vor allem aber für das Resultat bejubelt. Es war kein narkotisierender Verführungsversuch à la Thielemann. Hier loderten die Leidenschaften eher diesseitig, beherzt auch mal wie ins Nichts verhaucht. Vor allem aber gut abgestimmt mit den Sängern! Und die lieferten Festspielniveau. Catherine Foster (die grandiose Brünnhilde aus dem Castorf-Ring!) lässt ihre Stimme in voller Pracht von der Leine – macht besonders aus dem ersten Aufzug ein Isolde-Erlebnis mit Wow-Effekt. Auch der tristanerfaherene Stephen Gould wirkte freier als in der Vorgängerinszenierung der Hausherrin, lieferte einen Tristan ganz bei sich und seinen immer noch beträchtlichen Fähigkeiten. Auch als Tristan im dritten Akt im Sterben lag, hatte man nicht einen Augenblick die Sorge, dass dieser Sänger (der ja auch noch im „Ring” und im „Tannhäuser” eine tragende Rolle spielt) die Zielgerade nicht erreicht.
Dazu die fabelhafte Brangäne Ekaterina Gubanova und der prägnante und (durchweg) textverständliche Kurwenal von Markus Eiche. Wie erwartet ist Georg Zeppenfeld die sichere Marke-Bank schlechthin. Dass man bei Zeppenfeld und Eiche jedes Wort versteht, liegt an deren Format, aber natürlich auch an ihren Partien. Dass es die Interpreten von Isolde, Tristan, und Brangäne da deutlich schwerer haben, aber auch.
Leidenschaft als Bildsprache
Musikalisch war dieser Tristan jedenfalls beim Publikum, das den gleichen Extremtemperaturen im Festspielhaus ausgesetzt war wie die Sänger, ein voller Erfolg. Über ungeteilte Zustimmung konnten sich auch Roland Schwab, Piero Vinciguerra (Bühne) und Gabriele Rupprecht (Kostüme) freuen. Schwab versucht mit seiner Deutung Wagners „Löse von der Welt mich los“ erfahrbar zu machen und auf diese Welt zurückzureflektieren. Wenn Tristan und Isolde am Ende beide im Tode vereint sind, kommt ein altgewordenes Paar langsam an die Rampe – ein tröstlicher Philemon-und-Baucis-Moment. Schon während des Vorspiels haben wir die beiden als junges Paar gesehen und auch danach tauchen sie, etwas älter geworden, noch einmal auf. Liebe ist auch im Leben möglich, so die Botschaft einer ästhetischen Bildersprache, in der die Leidenschaft zum Bild wird.
Die Bühne ist ein halbrunder begrenzter Raum. In der Decke und im Boden geben ovale Ausschnitte den Blick in den Himmel und in die Tiefe brodelnder Leidenschaften frei. Die Videos (Luis August Krawen) sind hier keine Wirklichkeitssimulation sondern Teil der Bühne. Anfangs tigert Isolde wie eine Gefangene kurz vor der Explosion um den mit noblen Liegestühlen eingerahmten Pool. Der beginnt sich blutrot zu färben. Wenn der Liebestrank aber wirkt und Tristan und Isolde gleichsam übers Wasser zu gehen lernen, dann wandelt er sich in einen Strudel (der Leidenschaft), der die beiden zueinander und in einen Abgrund zieht. Das ist ein atemberaubendes Bild.
Gleißenden Neonröhren als Waffe
Im Zweiten Aufzug ist es das Sternenfirmament, das sich zu spiegeln scheint. Die sind losgelöst von der Welt. Dass die große Liebesszene, bei der die Sterne tanzen, zum Tribunal wird, bei dem Tristan in der Mitte auf einem Verhörstuhl sitzt und Melot Isolde mit einem der Scheinwerfer traktiert (wobei man sich fragt, ob der tatsächlich flackern sollte, nachdem alle anderen ausgeschaltet worden waren), erreicht die beiden nicht wirklich. Grandios ist das Bild, wie der metaphorische feindliche Tag in Form einer Batterie von gleißenden Neonröhren langsam auf Tristan niedergeht und ihn (ohne, dass Melot seine Waffe zücken muss) tödlich verletzt.
Im dritten Aufzug dann ein Bild aus der Rubrik „schöner Sterben“: Trauerweiden wuchern herunter, Tristan liegt wie aufgebahrt zwischen Kerzen in weißer Kluft, so wie später Isolde. Am Ende trauert auch der König sichtbar, möglicherweise mehr um Tristan als um Isolde. Vor deren Weltflucht senkt sich ein transparenter Schleier, durch den eine Utopie schimmert, die die beiden Alten vor diesem Vorhang trotzig in ein „Liebe ist auch auf Erden möglich“ quasi übersetzen. „Ewig” stand die ganze Zeit als rätselhafter Schriftzug neben der Szene…