Foto: Sasha Rau, Bettina Stucky, Silvia Fenz, Bendix Dethleffsen und Josef Ostendorf © Hermann und Clärchen Baus
Text:Bettina Weber, am 21. Januar 2013
Wenn auch der Titel „Oh it’s like home“ Vertrautes, Schönes und Harmonisches verspricht – in diesem Stück gibt es überhaupt nichts Heimeliges. Im Gegenteil, das Stück will gar nicht hübsch sein. Vier Figuren – Egon Richter (Josef Ostendorf), Ilse Schafleiter (Silvia Fenz), Gunda Krass (Sasha Rau) und Hanna Lendi (Bettina Stucky) – leben in einer freudlosen Welt von morgen und erinnern sich an unangenehme Momente aus vergangenen Zeiten. Sie agieren nebeneinander, erzählen, monologisieren und stehen bis auf wenige Kontaktaufnahmen allein. Die Erzählfetzen aus einem Alltag, in dem sie überwacht und verhört werden, es ihnen an Wasser mangelt und ihre Gehirne chemisch gereinigt wurden, sind durchmengt von Bruchstücken aus der Vergangenheit, die sich als Traum tarnen und doch bloß Alptraum sind. Begleitend spielt ein Mann auf dem Klavier (übrigens auch in seinem statistenartigen Eingreifen auf der Bühne und als Musikalischer Leiter positiv auffallend: Bendix Dethleffsen) im Hintergrund Chopin, Satie, und andere, während Ilse und Co. vor sich hin starren und auf etwas zu warten scheinen. Wir sind im Marthaler-Theater. Wir erleben keine Geschichte, sondern ein szenisches Konzert.
Sasha Rau hat einen Text geschrieben, der auf vier traurige Leben schaut. Und wie sie so, fast anrührend, als Gunda Krass auf der Bühne steht, kann man kaum glauben, dass diese Frau etwas so Gruseliges erschaffen hat. Abwesend und lächelnd spricht sie automatengleich von Gehirnwäsche und Selbstmordgedanken. Der Zuschauer blickt dabei in ein Giebelhaus (Bühnenbild: Duri Bischoff), das alles andere als ein Zuhause-Gefühl suggeriert: Großer, leerer Flur mit gekacheltem Kamin, deutscher Eiche und braun gefleckten, kalten Fliesen, im Hintergrund Schlafzimmer und Küche, beide grellweiß beleuchtet – allein das kann einen schon zum Schaudern bringen. Die Schauspieler schaffen es mehrfach, mithilfe ihrer konsequent betonten, stoisch wirkenden Ruhe, mit der sie sprechend durch den Raum vor und zurück gehen, eine skurrile Komik zu erschaffen. Josef Ostendorf und Silvia Fenz agieren in dieser Hinsicht besonders stark. Und wenn alle – ja, plötzlich gemeinsam – im Chor pfeifen, ohne derselben Melodie zu folgen, wird eine Schauderatmosphäre geschaffen, die herrlich ist. Leider sind dies nur einzelne Momente. Die Wiederentdeckung der Langsamkeit, die dieser Inszenierung zugrunde zu liegen scheint, sorgt für zu viele unüberbrückbare Lücken, als dass man von den zwischenzeitlich gebotenen Stimmungen den ganzen Abend zehren könnte. Zu überbetont wirken oftmals die Pausen, zu kaugummiartig die musealen Szenen, in denen beispielsweise eine Kaffeetafel aufgebaut, betrachtet und wieder abgedeckt wird. Zu oft wartet man auf etwas. Die Apathie ist als Mittel an vielen Stellen nicht nur probat, sondern unersetzlich, doch hätte die extrem metaphorische und assoziative Sprache vielfach mehr Tempo erfordert. Verhaltener Applaus.