Der junge Regisseur Jan Eßinger geht mit dieser gewaltigen Vorgabe außergewöhnlich metiersicher um. Keinen Realismus bietet er an, nicht ein Requisit, nur klare Haltungen, Körper, die wollen aber nicht können und wirken, als wären sie ihre eigenen Kerkermeister. Das Gefängnis ist die gewaltige Installation von Sonja Fürsti. Sie hat Leitern und Treppen, Wände, Türen und Metallgeländer aufeinandergetürmt zu einer Skulptur, die immer wieder von den Sängern im Schweiße ihres Angesichts um die eigene Achse gedreht wird. Das steht nicht nur für Gefangenheit, auch für Hierarchie und Chaos, die bestimmenden Faktoren des hier gezeigten gesellschaftlichen Mikrokosmos.Virtuos bewegt Eßinger Bühne und Spieler auch durch die raffinierten, nie selbstzweckhaftebn oder selbstverliebten Zwischenspiele, von denen jedes eine eigene Klangwelt mitbringt und in das musikdramatische Konstrukt integriert.
Das man diese 150 Minuten so reicher Musik gerne mit geht, liegt an der nicht nachlassenden Konzentration sowohl der Inszenierung als auch der Solisten und des Chores, die auch über die wenigen Längen trägt. Benjamin Lewis gestaltet den Lewis intensiv und sicher mit hellem, aber sehr männlichem Bariton. Sein Spiel rührt an im Wechselspiel von Wut, Verzweiflung und Abstumpfung. Sheida Damaghani (Anna) und Emily Dorn als Ehefrau ohne Vornamen gestalten auf selbem Niveau, musikalisch sicher, darstellerisch zurückgenommen, aber mit brennender Intensität. 16 Solisten verlangt die Partitur und das Landestheater Detmold kann sie alle rollendeckend besetzen. Heraus ragen neben den Protagonisten Andreas Jören als Schwager Alfons, ungeheuer widerständig in Gesang und Erscheinung sowie Stephen Chambers (Ferdinand) und Lotte Kortenhaus (Leni) mit wunderschön timbrierten Stimmen, klarer Artikulation, guter Präsenz und eleganter musikalischer Gestaltung.
Das Stück sollte häufiger gespielt werden. Die Musik ist nicht alt geworden und holt die Geschichte gültig in unsere Zeit. Da das aber wohl nicht passieren wird, lohnt sich eine Reise nach Detmold.