Foto: Szene aus "Kasimir und Karoline" © Thomas Aurin
Text:Manfred Jahnke, am 12. Mai 2017
Stefan Pucher inszeniert in Stuttgart Ödön von Horváths
”Kasimir und Karoline“.
Auf der Leinwand flimmert ein alter Film, der den Zeppelin zeigt und Menschen mit Hakenkreuzbinden, die diesem zujubeln. Kasimir ist abgebaut worden und Horváth zeigt in seinem 1931 entstandenen Oktoberfeststück, dass Karoline ihn automatisch verlassen wird. Wie immer bei Stefan Pucher zeigen Videos, von Maika Dresenkamp zusammengestellt, die historische Dimension dokumentarisch auf, die sich mit Live-Videos und Außenaufnahmen wie von den Ereignissen auf dem Parkplatz vermischen und so zwischen Gestern und Heute vermitteln. Denn, was Pucher in seiner Inszenierung herauszuarbeiten versucht, sind die Ähnlichkeiten zwischen der Endzeit der Weimarer Republik und der derzeitigen national-populistischen Stimmung in der Bundesrepublik – als Menetekel. Dazu baut er auch Texte aus anderen Stücken von Horváth wie aus „Die italienische Nacht“ ein, die eine erschreckende Aktualität aufzeigen.
Natürlich hält sich Pucher nur ausnahmsweise an die musikalischen Vorgaben von Horváth. Christopher Uhe hat eher ein Arrangement geschaffen, das an Club-Atmosphären erinnert, unterstützt durch das Bühnenbild von Stéphane Laimé, das nach hinten mit einer Wand aus weißen Ballons abschließt. Ansonsten arbeitet Laimé mit angedeuteten Momenten wie dem roten Gerippe einer Achterbahn oder einer Rutsche aus Plastikbahnen, alles auf der Drehbühne aufgebaut, so dass schnelle Wechsel möglich sind. Merkwürdig, dass eher eine Party-, denn eine krachende Volksfeststimmung herrscht. Das liegt nicht nur an der Musik von Uhe, oder daran, dass vom Bier immer wieder die Rede ist, aber nie jemand einen Krug mit sich herumträgt, sondern auch an den chicen gegenwärtigen Kostümen von Marysol del Castillo. Die Karoline der Manja Kuhl trägt weiße Hosen und ein weißes Topp, eine karrieresüchtige Frau, die dann auch schon einmal auf einem Tisch an der Stange erotische Posen vorführt. Da will der spindeldürre Kasimir des Peer Oscar Musinowski gar nicht recht zu passen. Musinowski legt ihn als Philosophen an, unpolitisch, der sentimentalisch sein Abgebautsein bejammert und dann mit der Erna (Sandra Gerling) davon zieht. Da passt denn schon eher der Zuschneider Schürzinger zu dieser Karoline, den Paul Grill als leicht bohemienhaften Beau spielt, der genau weiß, wann etwas für ihn zu holen ist.
Den proletarischen Part übernimmt der bullige Felix Mühlen als Kleinkrimeller Merkl Franz, der weiß, wo Bartel den Moscht holt und schon einmal auf seine Erna einschlägt, bis ihr Blut aus dem Mund rinnt. Andreas Leupold spielt den Kommerzienrat Rauch als Menschen. Der Klasse der Besitzenden zugehörig ist er gewohnt, dass Frauen auf dem Weg nach Altötting sich seinen erotischen Wünschen ergeben. Leupold spielt das erschreckend kleinbürgerlich. Horst Kotterba hingegen führt den Justizrat Speer aus Erfurt als zackigen Nazi mit Hitlerschnurrbart vor, als einziger in Lederhosen und Loden, der dann Maria und Elli, die hier Männer sind, abzuschleppen versucht.
Obschon denn eher eine Partystimmung herrscht und mit dem Rollenbild der Karoline gebrochen wird, gelingt es Stefan Pucher dennoch, nicht nur von scheiternden Liebesbeziehungen zu erzählen, von Lebensgier und Freiheit, sondern es gelingt ihm auch, die erschreckende politische Aktualität mit dem alten Stück provokativ auszustellen.