Foto: "Habe die Ehre" am Schauspiel Köln. Melanie Kretschmann, Robert Dölle, Johannes Benecke, Benjamin Höppner, Guido Lambrecht, Sabine Orléans © David Baltzer
Text:Bettina Weber, am 12. Mai 2014
Nicht selten ist es erleichternd, über Grausig-Unfassbares zu lachen. Und so hat der Wiener Autor und Arzt Amir Ibrahim, gebürtiger Syrer, sein Stück über Ehrenmorde mit einem komödiantischen Zuckerguss überzogen. Im Depot 2 inszenierte der Kölner Schauspiel-Intendant Stefan Bachmann nun die deutsche Erstaufführung. Die Ausgangslage ist erst einmal mächtig beklemmend: In einem engen, schlichten Wohnzimmer, umrahmt von einem Container (Bühne: Thomas Garvie), tagt ein Familienrat. Die Tochter hat ihren Mann betrogen, auf ihren Liebhaber hat der betrogene Ehemann schon geschossen. Nun fragt sich, wer die Tochter umbringt, die der eigene Vater eine Hure schimpft und zwischendurch im Nebenraum verprügelt. Einzige Verfechter einer friedlichen Lösung sind die Mutter (Sabine Orléans) und der Bruder (Johannes Benecke) des Opfers, auf die niemand hören möchte. Vater (Giudo Lambrecht), Schwiegervater (Benjamin Höppner) und Ehemann (Jakob Leo Stark) üben sich in machohaftem Gebärden.
Das alles hat den Look von Lebensechtheit. Daher lacht das Publikum trotz der zunehmenden ulkigen Verwirrungen im Geschehen auch erst einmal verhalten, zu sehr blendet der Spiegel auf der Bühne. Dort wird es schnell komödiantischer und es stellt sich die Frage: Was tun, wenn keiner sich traut? Irgendwie kommt nämlich niemand für die Ausführung der Tat in Frage, der Vater kann mit seinem lädierten Rücken nicht für vier Jahre ins Gefängnis, etc. etc. Der Autor habe ursprünglich keine Komödie entwerfen wollen, so gibt er im Programmheft Auskunft. Doch das komische Potenzial liegt auf der Hand: Angeberische, feige Männer, die sich gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben wollen. Und dann macht der Autor ausgerechnet die Polizei zum Icebreaker, die wegen Ruhestörung (lautes Geschrei einer Frau) die Wohnung durchsucht und schließlich ohne Ergebnis wieder abziehen muss. Außer dem Sohn versteht niemand im Raum die Polizisten, offenbar sprechen die Alten eine andere Sprache. Da das Stück aber auf Deutsch geschrieben ist, dolmetscht der Sohn von deutsch zu deutsch, dazu fließt immer wieder unverständliches, sinnbefreites Kauderwelsch aus den Mündern der Polizisten. „Alles gut, nix Problem“ lautet die Antwort der Mutter, die ansonsten fließend theaterdeutsch spricht. Hier setzt die Befreiung ein, weil klar wird: Niemand muss sich für die politische Korrektheit anstrengen oder verbiegen. Man darf beherzt lachen, die dunklen Seiten des Stücks verkaufen sich ohne moralischen Zeigefinger.
Diese Leichtigkeit ist auch der Inszenierung anzumerken. Stefan Bachmann spart sich die angestrengte Suche nach launigen Effekten, legt in den richtigen Momenten Ruhe und Regungslosigkeit in den Raum, bricht dann wieder aus, steigert maßvoll das Tempo. Nur dann und wann geraten die kurzen Tumulte etwas klamaukig, wenn jeder über des anderen Fuß stolpert. Auf Bachmanns sensible Figurenführung reagiert ein durchweg gut aufgelegtes Ensemble, das von den Polizisten (Robert Dölle, Melanie Kretschmann) bis hin zur Tochter (Julischka Eichel) ohne Überschwang die Macho-Posen ebenso beherrscht wie den naiven Schrecken oder die Starre der Angst. So kann dieser Abend sehr viel: Er nimmt dem Inhalt die Schwere, ohne dass der Plot zum Leichtgewicht verkommt. Diese Balance feiert das Publikum frenetisch.